Sexualisierte Gewalt im Sport: Tiefschlag gegen Boxerinnen

Ein Hamburger Boxverband hat seine Frauenbeauftragte rausgeworfen. Sie hatte einer Boxerin zur Anzeige gegen ihren Trainer geraten.

Boxerin sitzt im Ring

Trotz Kampfsport: Auch beim Boxen werden Frauen Opfer sexualisierter Gewalt. Foto: Imago/Westend61

HAMBURG taz | Der Vorstand des Hamburger Amateur-Boxverbands (HABV) hat offenbar seine Frauenbeauftragte Nele Rades-Walther ausgeschlossen und ihr ein Hausverbot erteilt – offenbar weil sie sich für die Aufklärung eines Verdachts auf sexualisierte Gewalt eingesetzt hatte. Eine Reihe weiterer Verbandsmitglieder, die sich im Zuge des Konflikts gegen den Vorstand stellten, sind ebenfalls rausgeschmissen worden.

Der HABV begründet das mit „verbandsschädigendem Verhalten“ – hinter den Kulissen gibt es verbandsinterne Grabenkämpfe, die sich um die Aufklärung potenzieller sexualisierter Übergriffe auf eine jungen Boxerin durch ihren ehemaligen Trainer ranken.

Das staatsanwaltliche Verfahren gegen den damals Beschuldigten ist zwar seit Anfang August vorläufig eingestellt, aber verschiedene Vereinsmitglieder kritisieren dennoch, dass der Verband weiterhin nicht die Kriterien des deutschen olympischen Sportbunds (DOSB) zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt durchsetze. Hauptvorwurf ist dabei, dass der damals beschuldigte Mann trotz staatsanwaltlicher Ermittlungen weiter als Sportdirektor im Verband arbeiten konnte.

In einer Mail, die der taz vorliegt, macht die ehemalige Frauenbeauftragte dem Boxverband schwere Vorwürfe: Weil sie der jungen Boxerin dabei geholfen habe, Strafanzeige gegen den ehemaligen Trainer zu erstatten und psychologische Hilfe zu bekommen, seien Ausschluss und Hausverbot erfolgt: „Die Sportlerin hat ihren ehemaligen Trainer bezichtigt, sie sexuell missbraucht zu haben“, schreibt Rades-Walther. Als Frauenbeauftragte sei es selbstredend ihre Aufgabe gewesen, sich um „solche Mädchen“ zu kümmern – erst recht in einem Sportverband, „der überwiegend mit Jugendlichen arbeitet“.

Tatsächlich wurde der jetzige Sportdirektor und Landestrainer M. zunächst im Dezember 2016 suspendiert, nachdem bekannt geworden war, dass die Staatsanwaltschaft Schwerin „wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen“ gegen ihn ermittelte.

Dem neu gewählten Vorstand des Hamburger Boxverbandes war das allerdings wurscht. Er hob die Suspendierung einfach wieder auf, trotz laufender Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Pikant ist dabei, dass der Cousin des damals Beschuldigten mittlerweile als Vizepräsident dem Vorstand angehört und die Entscheidung mitverantwortet. Die Begründung für die Wiedereinsetzung in einem der taz vorliegenden Vorstandsbeschluss vom 10. Mai 2017: Dem neuen Vorstand liege keine „Tatsachengrundlage für eine Aufrechterhaltung der Suspendierung vor.“

Organisierter Sport ist laut dem deutschen olympischen Sportbund (DOSB) für potenzielle TäterInnen sexualisierter Gewalt an minderjährigen SportlerInnen interessant, Präventionsmaßnahmen seien deshalb empfehlenswert.

Die beste Prävention sei eine Aufmerksamkeitskultur. Jeder Verein sollte ein Präventionskonzept erarbeiten und den Kinder- und Jugendschutz in die Satzung aufnehmen.

Im Idealfall soll es in Vereinen zwei Kinderschutzbeauftragte, männlich und weiblich, geben, die als Ansprechpartner für Betroffene fungieren, geschult sind und bei Übergriffen intervenieren.

Wenn ein begründeter Anfangsverdacht gegen TrainerInnen besteht, sollten diese bis zur Beendigung des strafrechtlichen Verfahrens freigestellt werden.

Der Cousin des damals Beschuldigten M. ist es auch, der auf taz-Anfrage als Verbandsverantwortlicher die erhobenen Vorwürfe vehement bestreitet. Er sagt, der Ausschluss von Rades-Walther habe nichts mit ihrer Funktion als Frauenbeauftragte zu tun, sondern mit „anderen Tatsachen, die wir derzeit nicht der Öffentlichkeit zukommen lassen wollen“. Näher ausführen als „verbandsschädigendes Verhalten“ könne man die Vorwürfe allerdings nicht, da man derzeit mit einem Anwalt gegen verschiedene Parteien eine „Verleumdungsklage“ vorbereite.

Warum der Boxverband denn nicht die Satzung gemäß der DOSB-Vorgaben aktualisiere und Kriterien zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt und Prävention umsetze? „Wir sind seit Jahren dabei, die Satzung umzumodeln, weil sie von anno dazumal ist“, sagt der Vizepräsident. Kürzlich habe man deswegen einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt. Natürlich sei es nicht okay, „mit Sportlern auf einem Zimmer zu schlafen“. Und zusammen duschen sei auch nicht okay. Aber an den kolportierten Vorwürfen gegen den Trainer sei trotzdem „nichts dran“.

Seit Anfang August sind die Ermittlungen nun tatsächlich vorläufig eingestellt, weil sich die „zur Anzeige gebrachten Tatvorwürfe nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit“ belegen ließen, wie es bei der zuständigen Schweriner Staatsanwaltschaft heißt. Aber erledigt ist der Fall damit noch nicht: Die Anzeigestellerin hat Beschwerde gegen die vorläufige Einstellung eingereicht. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob die Beschwerdebegründung Anlass genug ist, die Ermittlungen wieder aufzunehmen oder ob das Verfahren endgültig eingestellt wird.

Der übergeordnete deutsche Boxverband (DBV) hält sich vornehm zurück. Man wolle sich zu diesem Zeitpunkt zu den Konflikten in Hamburg nicht weiter äußern, weil das Verfahren im Hamburger Landesverband „noch nicht abgeschlossen“ sei, teilt DBV-Präsident Jürgen Kyas auf Nachfrage mit.

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