AfD-Fraktion im Bundestag: „Alternative Mitte“ gegen „Flügel“

Mit Beatrix von Storch als Vize-Chefin ist die AfD-Fraktionsführung komplett. Derweil festigen sich in der Partei die zwei Strömungen.

Einige Männer und Frauen stehen vor einer grauen Wand und sprechen in Mikrofone

Die AfD-Fraktionsführung von links nach rechts: Tino Chrupalla, Beatrix von Storch, Roland Hartwig, Alexander Gauland, Alice Weidel, Leif-Erik Holm und Peter Felser Foto: dpa

BERLIN taz | Während draußen Orkan „Xavier“ kalt um das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus im Berliner Parlamentsviertel peitschte, ging es am späten Donnerstagnachmittag drinnen heiß her. Erst beim zweiten Posten und dabei im vierten Wahlgang konnte sich die stellvertretende AfD-Chefin Beatrix von Storch einen Sitz im Vorstand der Bundestagsfraktion sichern. Mit ihrer Wahl zur Vize-Fraktionschefin ist jetzt die Führung der AfD im Bundestag komplett.

Die Anhänger des „Flügels“, wie die Organisation der Parteirechtsaußen um Björn Höcke schlicht heißt, dürften nicht erfreut sein. Kein expliziter Höcke-Mann hat es in die Fraktionsführung geschafft. Der Höcke-Vertraute Stephan Brandner aus Thüringen hat es zweimal versucht und fiel durch, beim ersten Mal allerdings nur knapp. Von einem rechten Durchmarsch innerhalb der Fraktion, den zu Beginn intern manche befürchteten, kann also nicht die Rede sein.

Von den insgesamt elf Mitgliedern der Fraktionsführung sind fünf, die sich selbst innerhalb der AfD zum eher „wirtschaftsliberalen“ oder „moderaten“ Teil der Partei zählen: Fraktionschefin Alice Weidel aus Baden-Württemberg, Roland Hartwig aus NRW, Leif-Erik Holm aus Mecklenburg-Vorpommern und von Storch aus Berlin (alle drei Fraktionsvizes) sowie Michael Espendiller, der aus NRW stammt und einer der nachgeordneten Parlamentarischen Geschäftsführer ist.

Dies könnte auch dem Abgang der ehemaligen Parteichefin Frauke Petry geschuldet sein – und der Angst, weitere Mitglieder der Fraktion könnten ihr folgen. Am Mittwoch hatte der Abgeordnete Mario Mieruch seinen Austritt aus der Fraktion bekanntgegeben, die jetzt noch aus 92 Abgeordneten besteht. Mieruch begründete seinen Schritt mit einer mangelnden Abgrenzung nach rechts und dem nur knappen Durchfallen von Höcke-Intimus Brandner.

Parteiausschlussverfahren gegen Höcke

Während die Fraktionschefs in der vergangenen Woche sich noch sicher gaben, dass kein Abgeordneter Petry folgen werde, hörte sich das am Donnerstag anders an. „Vielleicht gibt es ein, zwei weitere Austritte, die möchte ich mittlerweile nicht mehr ausschließen“, sagte Weidel am Rande der Sitzung.

Unterdessen haben sich die innerhalb der AfD moderaten Kräfte, die lange entsetzt auf das Treiben von Höckes „Flügel“ starrten, nun selbst als eine Strömung innerhalb der Partei organisiert. Am Dienstag gründeten sie im oberfränkischen Tettau die „Alternative Mitte“ bundesweit.

Sie will sich für einen konservativen-bürgerlichen Kurs der AfD stark machen. Von Storch, die bei dem Treffen zu Gast war, rief die Partei in Tettau zur Einigkeit auf. Es sei im Interesse der AfD, beide Strömungen einzubinden, so von Storch.

An einem Punkt aber ist das unmöglich: das Parteiausschlussverfahren gegen Höcke. Während die „Alternative Mitte“ unbedingt dafür ist, will „der Flügel“ es vehement verhindern. Neben der Neuwahl des Bundesvorstands, die im Dezember ansteht, liegt in diesem Parteiausschlussverfahren eine enorme Sprengkraft für Partei und Fraktion.

„Seele der Partei“

Die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten ist in keiner der beiden Gruppen organisiert. Fraktionschef Alexander Gauland versuchte am Donnerstag, ihre Bedeutung kleinzureden: „Ich sehe in der Fraktion keine Strömungen“, sagte er nach von Storchs Wahl. Wichtig sei, dass der Regionalproporz gewahrt sei. Gauland versteht sich selbst als national-konservativ, bezeichnet aber Höcke als „Seele der Partei“ und hat ihn auch – trotz des noch laufenden Parteiausschlussverfahrens – für den Bundesvorstand ins Gespräch gebracht.

Zu Stellvertretern wählte die Fraktion am Donnerstag neben Hartwig, Holm und von Storch auch Peter Felser aus Bayern, der 2001 gemeinsam mit Götz Kubitschek, einem Vordenker der Neuen Rechten, ein Buch mit Reportagen über den Bosnien-Einsatz der Bundeswehr herausgebracht hat. Felser sagte nach seiner Wahl, ihre Wege hätten sich getrennt; er sei dem Kreis um Kubitschek nicht zuzurechnen. „In der Fraktion verstehe mich als Brückenbauer“, so Felser.

Fünfter Fraktionsvize ist der Malermeister Tino Chrupalla aus Sachsen. Er hatte sich als Direktkandidat bei der Bundestagswahl gegen den sächsischen CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer durchgesetzt. Erst seit anderthalb Jahren ist er Mitglied der AfD, ging aber regelmäßig zu Pegida.

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