Richter gegen Richter: Richterin blockiert Asyl

Bundesverfassungsgericht rügt das Verwaltungsgericht, das strittige Rechtsfragen zum Asylstatus in unzulässiger Weise im Vorverfahren entschieden hat.

Kein Ort zum Zurückkehren: das zerstörte Aleppo. Foto: Max Black/dpa

HAMBURG taz | Da ist die Verwaltungsrichterin Daniela Greilinger-Schmidt wohl etwas zu forsch gewesen: Indem sie als „Einzelrichterin“ kurzerhand in neun Fällen Anträge syrischer Flüchtlinge auf Prozesskostenhilfe mangels Aussicht auf Erfolg ablehnte, hat sie gegen Grundrechte verstoßen. Die Syrer hatten ihre Anerkennung als politische Flüchtlinge einklagen wollen.

Das Bundesverfassungsgericht hat Greilinger-Schmidts Beschlüsse nun aufgehoben. Die Richterin habe den mittellosen Flüchtlingen das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verwehrt, sagen die Verfassungshüter.

Verwaltungsrichterin Greilinger-Schmidt begründete ihre ablehnende Meinung mit der vorherrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung. Demnach reicht die illegale Ausreise aus Syrien oder die Verweigerung des Wehrdienstes in dem Bürgerkriegsland für sich genommen nicht aus, um als politischer Flüchtling in Deutschland nach der Genfer Konvention anerkannt zu werden.

Dazu wäre es nötig, eine konkrete politische Betätigung gegen das Assad-Regime darzulegen. Denn bei 4,9 Millionen Flüchtlingen aus einem Staat mit 20 Millionen Einwohnern sei nicht davon auszugehen, dass Rückkehrer zwangsläufig politischer Verfolgung oder Folter ausgesetzt seien.

Dagegen spreche auch die Anzahl an Syrien-Rückkehrern aus den jordanischen und türkischen Elends-Flüchtlingslagern. So haben es zumindest die Oberverwaltungsgerichte von Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz sowie der Verwaltungsgerichtshof Bayern entschieden.

Die neun Hamburger Kläger genießen in Deutschland nur subsidiären Schutz – ein befristetes Bleiberecht ohne Familiennachzug. Gegen die Verweigerung der Prozesskostenhilfe hatten sie durch ihren Hamburger Anwalt Sükrü Bulut in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die Richterin habe in ihren Beschlüssen die uneinheitliche Rechtsprechung zwar erwähnt, jedoch nicht berücksichtigt, argumentierte der Anwalt Bulut.

So hatten die Verwaltungsgerichtshöfe Hessen und Baden-Württemberg syrischen Flüchtlingen und Wehrdienstentziehern durchaus den Flüchtlingsstatus zugestanden. Schon die vielen Syrien-Rückkehrer in die kurdisch kontrollierten Gebiete könnten nicht als Beleg dafür herangezogen werden, dass eine Foltergefahr für ganz Syrien verneint werden könne.

Außerdem habe die Richterin die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Wehrdienstentziehung wehrpflichtiger Männer nicht berücksichtigt. Wer sich in Syrien dem Wehrdienst entzieht, muss für 15 Jahre in den Knast.

Das Bundesverfassungsgericht unter Leitung seines Präsidenten Andreas Voßkuhle gab den Verfassungsbeschwerden statt. Die Richterin habe trotz der uneinheitlichen Rechtsprechung mit der Verweigerung der Prozesskostenhilfe den mittellosen Betroffenen das Recht auf effektiven Rechtsschutz vorenthalten und die strittigen Rechtsfragen in unzulässiger Weise in einem Vorverfahren „durchentschieden“.

Somit sei den Geflüchteten, im Gegensatz zu solventen Betroffenen, die Möglichkeit genommen worden, die schwerwiegende Tatsachenfrage, ob Wehrdienstentziehern bei Rückkehr politische Verfolgung drohe, überprüfen zu lassen.

Dem übergeordneten Hamburgischen Oberverwaltungsgericht werde die Möglichkeit genommen, sich mit dieser „entscheidungserheblichen Frage“ auseinanderzusetzen. Denn die Antwort darauf entscheidet, ob den Klägern der Flüchtlingsstatus gewährt werden muss. Nach taz-Informationen wird sich das Oberverwaltungsgericht demnächst der strittigen Sachfrage annehmen.

Das Hamburgische Verwaltungsgericht beruft sich darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht Revisionen gegen negative Asylentscheidungen der Oberlandesgerichte nicht zugelassen hat. Diese seien formalrechtlich nicht zu beanstanden gewesen.

Der Hamburger Anwalt Ünal Zeran weist allerdings darauf hin, dass bei diesen Verfahren die Flucht vor dem Wehrdienst nur ein Teilaspekt gewesen sei. Wenn ein Geflüchteter den Wehrdienst nicht nur einfach so verweigert habe, sondern weil er dem Assad-Regime nicht dienen wollte, sei der Sachverhalt völlig neu zu bewerten.

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