Kommentar Fall Oury Jalloh: Was stinkt, soll nicht so riechen

Den Eindruck eines Mordes im Fall Oury Jalloh wollten die Behörden bisher vermeiden. Nun kommt Bewegung rein – aber warum dauerte das so lange?

Vorne ein Aufkleber mit dem Bild von Oury Jalloh, dahinter verschwommen Menschen mit Spruchbändern und einer Antifa-Fahne

Linke Gruppen fordern seit Jahren, den Fall Oury Jalloh neu zu untersuchen Foto: imago/Christian Ditsch

Oury Jalloh verbrannte am 7. Januar 2005 in einem Dessauer Gefängnis. Er habe sich selbst angezündet, hieß es zunächst. Zweifel bestehen bis heute. Am Donnerstag berichtete die Welt, dass eine „spektakuläre Wende“ bevorstehe, dass Oury Jalloh sich nämlich doch nicht selbst umgebracht haben könnte. Ein nachgestellter Brandversuch legt dies nahe. Also kein Selbstmord, sondern Mord.

Mord. Diesen Eindruck wollten die Behörden vermeiden. Mord in einer Polizeizelle. Das Opfer ein Schwarzer. Ein Flüchtling. Was geradezu nach Rassismus stinkt, soll bloß nicht so riechen.

Dass die Wende nun als „spektakulär“ bezeichnet wird, veranschaulicht das ganze Dilemma an Oury Jallohs Tod. Obwohl so vieles an dem Fall gewaltige Zweifel am Rechtsstaat aufkommen lässt, will es die Gesellschaft nicht wirklich wahrhaben. Mord, noch dazu ein rassistisch motivierter? Das verdrängt man besser. Und hakt lieber nicht haarklein nach. Dabei gab es viele Indizien darauf, vor Jahren schon, dass Oury Jalloh ermordet worden sein könnte.

Reste des Feuerzeugs, mit dem sich Jalloh angezündet haben soll, werden erst nachträglich in der Zelle entdeckt, Überwachungsvideos verschwinden. Eine Richterin stellt sogar fest, dass es Ermittlungsfehler gegeben habe. Und was ist die Konsequenz aus alldem? Nichts. Von einem Mord wollte niemand etwas wissen.

Was deutsche Ermittlungsresultate nicht nahelegten, brachte ein britisches Brandgutachten 2015 ins Rollen. Nun kümmert sich auch nicht mehr die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau um den Fall, sondern die in Halle. Von einem Mordverdacht will aber offiziell trotzdem niemand sprechen. „Verdichtende Zweifel“, „kein einheitliches Bild“, schreibt die Pressestelle. Und davon, „ob genügende Tatsachen vorhanden sind, die den Verdacht einer kausalen Beteiligung Dritter begründen oder aus­schließen können“. Warum nur ist das nicht schon viel früher und viel energischer geprüft worden?

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