Kreuzberger Rapper im Interview: „Ich sage nur, was ich scheiße finde“

PTK verrät seinen bürgerlichen Namen nicht. Aber fast alles andere. Ein Gespräch übers Anecken, über politischen Rap und über Kreuzberger Hipster-Bars.

PTK am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg. Foto: Christian Mang

taz: PTK, deinen echten Namen veröffentlichst du nicht, aber verrätst du uns dein Alter?

PTK: 29 (lacht). Du hättest mich jünger geschätzt, oder?

Ehrlich gesagt, ja.

Ich weiß, ich werde immer für jünger gehalten, auch früher schon. Die Leute haben eigentlich immer erst mal ein falsches Bild von mir: Man denkt, ich sei jünger, man denkt, ich sei Ausländer, man denkt, ich sei dümmer. Was auch immer dumm genau heißt. Jedenfalls denken erst mal alle: Was will der mir erzählen?

Du bist also in den 1990ern aufgewachsen, hier in Kreuzberg. Was war das für eine Kindheit?

Wir sind ständig umgezogen, weil wir immer wieder aus unseren Wohnungen rausmussten. Als Kind kommt dir erst mal alles normal vor, du kennst es ja nicht anders. Das hat ein bisschen gedauert, bis ich gemerkt habe, dass es bei uns anders ist als in anderen Familien, das ganze Finanzielle eben. Meine Eltern waren beide sehr lange arbeitslos, und sie haben sich früh getrennt. Später, als ich älter wurde, habe ich mich dann viel mit meiner Mutter gestritten, ich glaube, das hatte auch was damit zu tun. Als ich siebzehn war, ist meine Familie aus Berlin weggezogen, seitdem ist unser Verhältnis wieder besser.

In deinen Texten klingt es, als würdest du dich manchmal nach der Kindheit zurücksehnen.

Ja, es gibt schon Sachen daran, die ich vermisse. Früher war ein Tag so übertrieben lang, Sommerferien war so eine überkrass lange Zeit. Ich hab mal gerappt: „Glaub mir, ich wollte nie in die Welt der Erwachsenen. / Die simpelsten Dinge sind dort unendlich anstrengend.“ Ich weiß selber gar nicht, was ich damit alles gemeint habe, aber eben zum Beispiel so was: Ich kriege schon Kopfschmerzen, wenn ich meinen Briefkasten aufmache.

Wann hast du angefangen, dich mit Rap zu beschäftigen?

Mit 10, 11 Jahren habe ich angefangen Rap zu hören. Mit 15, 16 habe ich das erste Mal selbst gerappt, aus Spaß mit Freunden. Die Entscheidung, dass Rap das ist, was ich machen will, kam erst später. Aber eigentlich gab es nie eine Alternative: Ich wusste nie, was ich machen will, nicht so wie Freunde von mir, die Arzt werden wollten oder so.

Fanden deine Freunde denn gut, was du machst?

Von meinen engen Freunden war ich der Einzige, der damit angefangen hat, das hat die nicht weiter gejuckt. Früher hat Deutschrap doch keinen interessiert. Ich hatte ja quasi nur ausländische Freunde, die haben alle Tupac gehört, Deutschrap war voll peinlich. Das hat sich voll geändert, dass das cool geworden ist in den letzten Jahren.

Wann war für dich klar, dass Musik machen nicht nur ein Nebenbei-Hobby ist?

2009 habe ich Herzog [Berliner Rapper – Anm. d. Red.] kennengelernt, der damals gerade ein Label gründete. Das war wichtig. Ich hätte das alleine nicht geschafft, diesen Berg zu bewältigen, der zum Aufnehmen nötig gewesen wäre. Er hatte das Studio, Geld, Bock. Das war eine glückliche Fügung, und seitdem ist das für mich ein Vollzeitjob.

Der Rapper: Unter Vertrag ist PTK bei BombenProdukt, dem Independentlabel des für seine Texte über Drogenkonsum bekannten Berliner Rappers Herzog, genauso wie sein Schulfreund, der Rapper Sadi Gent. 2013 brachte PTK mit „Typisch deutsch“ sein erstes Album heraus, 2014 kam dann der Nachfolger „Den Umständen widersprechend“.

Das neue Album: „Ungerächte Welt“ erschien am 30. Juni und schaffte es auf Anhieb auf Platz 20 der deutschen Charts. PTK teilt darin ordentlich aus: gegen Vermieter, gegen die deutsche Rap-Szene, gegen Eltern, die ihre Kinder mit Fernsehen ruhig stellen, und Paare, die nur aus Langeweile zusammenbleiben. Mit „Kontinent“ gibt es aber auch das erste Liebeslied, wenn auch an eine Verflossene.

Die Band: 2014 gründete PTK das Musikprojekt Anti-National Embassy, gemeinsam mit Flüchtlingen aus der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße in Kreuzberg. Die Band gibt es bis heute, auch wenn die Besetzung immer wieder wechselt – ehemalige Mitglieder wurden abgeschoben, sind verschwunden oder im Knast gelandet, erzählt PTK, andere kamen neu dazu. (mgu)

Seit 2014 kannst du von deiner Musik einigermaßen leben, dein gerade erschienenes Album landete auf Platz 20 der deutschen Charts. Du giltst als der Rapper mit den politischen Themen – kannst du mit diesem Label leben?

Ich finde es schade, dass es so ein komplettes Schubladendenken gibt. Ich finde, das ist nur eine Säule von mir. Politischer Rapper, das schreckt erst mal viele ab. Die denken dann erst mal, ich bin einer von denen, die Zeitungsartikel rappen, so mit Zeigefinger, aber das bin ich ja gar nicht. Umgekehrt haben Leute, die mich hören, weil ich ein politischer Rapper bin, dann auch so eine Erwartungshaltung, dass ich Lösungen anbiete oder dass ich mich an einen bestimmten Kodex halte, die ich dann auch nicht erfülle.

Deine Texte hören sich oft ziemlich düster und pessimistisch an – dabei wirkst du eigentlich wie jemand, der die Dinge angehen will.

Ich brauche Schmerz und Schlechtes, um kreativ zu sein. Über die guten Dinge brauchen wir nicht reden, wenn wir wollen, dass es besser wird. Ich verstehe nicht, warum es Leute interessiert, wie krass gut es jemandem geht. Wenn der darüber erzählt, wie viel Autos er hat, wie viel Frauen, wie viel Essen auf dem Tisch. Wo ist denn da bitte der Sinn?

Denkst du, mit deiner Musik etwas ändern zu können?

Ich denke nicht, dass ich die Welt ändere mit meiner Musik. Aber ich kann meine Welt ändern und die von den Leuten, die meine Musik hören. Das kriege ich auch als Feedback, dass Leute sagen, dass sie durch meine Texte zum ersten Mal was anders sehen.Das ist dir wichtig?

Ja, voll. Sonst müsste ich Musik nicht machen. Aber klar, meine Möglichkeiten sind begrenzt. Die Situation in Kreuzberg zum Beispiel: Ich weiß, da werde ich nichts ändern. Solange es Geld gibt und einen Markt und Menschen Geld verdienen wollen mit ihren Wohnungen, und zwar mehr, als sie brauchen, wird sich daran nichts ändern. Was ich aber machen kann, ist Aufmerksamkeit schaffen, dass es nicht cool ist und dass die Leute Teil von dem Prozess sind.

Dass es nicht cool ist, Berlin zu besuchen oder hierher zu ziehen? So hört es sich in deinen Texten manchmal an. Du singst zwar auch über Spekulanten und Investoren, aber du nennst den Song „Anti-Turista“.

Anti-Turista war erst mal nur ’ne coole Wortschöpfung. Aber klar, jetzt gibt es viele Leute die sagen: Don’t hate the players, hate the game. Aber da gehe ich eben nicht mit. Ich sage halt: Auf jeden Fall hate the game, aber warum spielt ihr es denn mit? Das ist ja eine aktive Entscheidung, dass Leute sagen: Ich gehe dahin. Die meisten Leute ziehen einfach irgendwohin, ohne sich zu informieren, was da vorher war, und verstehen nicht, dass sie an einem Prozess beteiligt sind, der auf Kosten anderer Menschen läuft. Natürlich gibt es Politiker, Spekulanten, Vermieter, aber das kann alles gar nicht funktionieren, wenn es nicht die Nachfrage gäbe.

Das heißt, es darf niemand mehr in Kreuzberg Urlaub machen?

Das heißt erst mal nur: Du kannst nicht herkommen, ohne am Prozess beteiligt zu sein. Das heißt nicht, dass du nicht herkommen darfst, auf keinen Fall. Ich finde es ja geil, dass Berlin diese Stadt ist, die ganz viele Menschen anzieht. Ich finde es aber scheinheilig, dass es negativ bewertet wird, wenn Menschen aus einer Not herkommen, siehe Flüchtlingsthematik, aber niemand über die Leute redet, die mit Geld herkommen. Das ist für mich die Parallelgesellschaft: amerikanische Hipsterbars, in denen man auf Englisch bestellen muss, spanische Viertel.

Wirklich?

Klar. Wenn ich in ein arabisches Restaurant gehe, wo alles auf Arabisch ist, weiß ich trotzdem genau, was ich bestellen will, weil ich damit aufgewachsen bin. Wenn ich in einen spanischen Wurstladen gehe, habe ich keine Ahnung was die von mir wollen. Klar ist die Sonnenallee ’ne Parallelgesellschaft, aber daneben hast du doch das gleiche in Grün. Bei den einen muss es halt halal sein, bei den anderen vegan. Aber beim Thema Integration geht es immer nur um die Gastarbeiter und ihre Familien.

„Glaub mir, ich wollte nie in die Welt der Erwachsenen. / Die simpelsten Dinge sind dort unendlich anstrengend“

Was wäre denn eine Lösung?

Ich will niemandem sagen, was richtig und was falsch ist. Ich sage nur, was ich scheiße finde. Solange es diesen Markt gibt, habe ich keine Lösung dafür. Aber ich denke schon: Es gibt so viele Gegenden, die es nötig hätten belebt zu werden, warum kann sich das nicht mehr verteilen, warum wollen alle in diesen drei, vier Kiezen in Kreuzberg und Neukölln wohnen?

Vielleicht, weil es schön ist, hier zu wohnen?

Ganz ehrlich: Wenn ich aus irgend’nem Kaff kommen würde, ich wäre der Erste, der herkommen will. Aber trotzdem, die Leute sollen ein Bewusstsein entwickeln. Das geht ja auch: Ich hab schon Zugezogene auf Demos gegen Gentrifizierung kennengelernt, das waren richtig coole Menschen.

Also macht es doch einen Unterschied, wie man sich verhält, wenn man herkommt?

Am Ende des Tages ist das einfach eins von vielen Problemen, die etwas mit Geld zu tun haben und mit Ungerechtigkeit. Die Ungerechtigkeit ist, dass Leute, die hier gewohnt haben und hier weiter wohnen wollten, das nicht mehr können. Und ich kenne viele von diesen Leuten, sehr viele. Meine Familie ist auch nicht aus Spaß weggezogen, da geht es schon mal los. Wir wurden Block für Block aus der Wohnung geschmissen, weil da Eigentumswohnungen draus gemacht werden sollten. Du hast dann das Erstkaufsrecht – wenn du so viel Geld hättest, hättest du bestimmt nicht in der Scheißwohnung gewohnt.

„Ich will das Kreuzberg meiner Eltern aus den 80ern zurück“, singst du in „Anti-Turista 2“. Im Kreuzberg der 1980er ging es vielen Menschen dreckig – ist das wirklich die Vision?

Erst mal heißt das ja nicht, dass es diesen Menschen heute besser geht – die sind einfach nur nicht mehr in Kreuzberg. Aber ich meine das auch gar nicht so wörtlich, sondern einfach diesen Kreuzberger Spirit, dass Häuser besetzt wurden, dass man sich genommen hat, was man brauchte.

Hast du das noch so erlebt?

Nein. Aber auch das Kreuzberg meiner Kindheit war etwas Besonderes: Jeder kam aus einem anderen Land, aber es waren trotzdem alle ähnlich, weil alle wenig Geld hatten. Das war die Welt, die ich als Kind mitbekommen und für total normal gehalten habe. Das habe ich erst durch Fußball gelernt, durch die Auswärtsspiele, dass es woanders in Berlin auch anders aussieht.

Wegen deiner Texte wirst du auch in linksradikalen Kreisen gefeiert. War das eine bewusste Entscheidung, dieses Publikum anzusprechen?

Nee, eigentlich nicht. Es gibt ja auch ganz viele unpolitische Leute, die sich damit nicht auskennen, aber trotzdem eine ähnliche Meinung haben wie ich. Bei mir war es ja auch so: Ich habe ja nicht linke Sachen gelesen und dann meine Texte geschrieben, sondern ich habe mich mit Sachen beschäftigt, die um mich herum passieren, und meine Schlüsse daraus gezogen, und das sind dann eben offensichtlich linke Schlüsse. Erst mal habe ich nicht über Gentrifizierung gerappt, sondern über mein Kreuzberg, und dann haben mir Leute gesagt, dass das Gentrifizierung ist.

Aber du kannst schon was anfangen mit dieser Szene?

Von Anfang an habe ich mit diesen Themen viele neue Leute gewonnen, aber in diesen Kreisen auch viele abgeschreckt. Weil ich eben nicht aus dieser Welt komme, wo ich mich an Wortwahl bis sonst was halte. Es gibt auch viele, die mich heimlich feiern, weil sie das in ihren Kreisen eigentlich nicht dürfen.

Ich seh zwei schwule Bonzenjungs in Designerhemden, / Laufen am Kotti rum und sie halten Händchen, / Vorbei an Leuten, die haben kein’ Cent für Essen“, beginnt der vor drei Jahren veröffentlichte Song Anti-Turista. Du hast viel Kritik für die Schwulenfeindlichkeit dieses Textes bekommen. Bereust du die Zeilen?

Es gibt Leute, die mir bis heute einen Strick aus diesen Lines drehen möchten. Die haben mich seitdem eh gefressen, egal was ich mache. Deswegen bin ich an diesem Punkt stur und gebe keine Statements dazu. Wenn ich das jemals machen würde, würde ich dieser Flamme Luft geben. Das mache ich nicht, das ist mir zu dumm. Wäre ich wirklich schwulenfeindlich, würden viele Standpunkte in meiner Musik gar keinen Sinn machen.

Spielst du das Lied denn noch?

Das ist einer meiner bekanntesten Songs, die Menge will den oft hören. Selbst wenn ich ihn mal gar nicht im Programm dabeihabe. Manchmal rappe ich die ersten Zeilen dann nicht mit, je nach Publikum.

Noch mal zur Gentrifizierung. „Und will dein Vermieter morgen deine Butze räumen, / Stehn heute noch vor seiner ein paar vermummte Leute“, singst du in „Das Haus wird besetzt“. Sind diese Art von linksradikalen Aktionen die Lösung?

Da musst du nicht linksradikal für sein. Als ich Stress mit meinem Vermieter hatte, haben meine Freunde gesagt, Dicker, lass den besuchen. Das ist nie passiert, aber die Idee war da, das hat was mit der Mentalität zu tun. Aber klar: Du kannst mit Aktionen was bewirken. Selbst wenn der ganze Scheiß durch Gesetze gerechtfertigt ist, kannst du zumindest Aufmerksamkeit schaffen. Linksradikal musst du dafür nicht sein, bei der Räumung der Ohlauer haben sich einfach irgendwelche Schüler in die Blockaden gesetzt.

Das Label linksradikal hilft nicht weiter?

Gerade aktuell durch G20 sind ja so Wörter wie linksradikal bei vielen Leuten auf negative Art gebrandet. Man redet jetzt lieber über die Ausschreitungen, dass sich die linke Szene von Gewalt distanzieren soll, statt über die, die sich da treffen, die Bomben werfen, Erdoğan, Trump, dass die sich von Gewalt distanzieren sollen. Aber es ist ja verständlich, denn am Ende beruft sich jeder auf seine Erfahrungswerte, und das ist für viele Leute eben nur, was sie in der Zeitung lesen.

Wie kommst du denn selbst zu deinen Themen?

Ich muss mich immer ablenken, weil ich zu viel über Sachen nachdenke. Und wenn ich zu viel über Sachen nachdenke, macht am Ende alles keinen Sinn. Das klingt mega-depressiv, aber so ist es halt. Und wenn ich mich mit den Dingen beschäftige, die um mich herum passieren, dann muss ich aussprechen, was ich darüber denke. Das war schon in der Schule so: Ich war nie der stärkste, aber ich war immer der mit der großen Fresse. Ich habe immer Stress gemacht, aber ich habe mich immer sofort mit vielen angefreundet.

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