FDP-Chef Lindners Annährung an Putin: Die Krim liegt im Baltikum

Warum der FDP-Chef die russische Annexion der Krim dulden will? Weil das im Kalten Krieg schon mit Litauern, Letten und Esten geklappt habe.

FDP-Chef Christian Lindner auf der Bühne

FDP-Chef Lindner: Seine Partei könnte nach der Bundestagswahl den Außenminister stellen Foto: dpa

BERLIN taz | Die Kanzlerin lässt den FDP-Chef auflaufen. Über eine Sprecherin ließ Angela Merkel am Montag ausrichten, was sie von Christian Lindners neuester Äußerungen zur Russland-Politik hält: nicht viel. „Russland hat mit der Annexion Völkerrecht gebrochen“, sagte die Regierungssprecherin. Die Haltung der Bundesregierung und der gesamten EU sei „völlig eindeutig und unverändert“.

Aus seinem Urlaub auf Mallorca hatte sich Lindner am Samstag zum Thema geäußert. Im Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitungsprach er von sich aus die deutsch-russischen Beziehungen an. Er stehe auf Seiten der osteuropäischen Nato-Staaten, sagte der FDP-Chef, halte es aber auch für nötig, „in das Verhältnis zu Russland wieder Bewegung zu bekommen“. Das gehe am ehesten über den Ukraine-Konflikt. „Um ein Tabu auszusprechen: Ich befürchte, dass man die Krim zunächst als dauerhaftes Provisorium ansehen muss.“

Ein hundertprozentiges Tabu ist das zwar nicht. Dass Russland die 2014 annektierte Halbinsel bald wieder an die Ukraine zurückgeben werde, glauben westliche Regierungen lange nicht mehr. In Gesprächen mit Kiew und Moskau konzentrieren sie sich lieber auf die Situation in der Ost-Ukraine.

Etwas anderes ist es aber, das auch so deutlich auszusprechen und den Status der Krim damit offen zu akzeptieren. Deswegen erhält die Äußerung Lindners, dessen Partei in einer möglichen schwarz-gelben Regierung das Außenministerium besetzten könnte, jetzt so viel Aufmerksamkeit.

Vom FDP-Wahlprogramm ist der Vorstoß nicht gedeckt. Die Partei fordert darin zwar, weiter mit der russischen Regierung zu reden. Unmissverständlich heißt es aber auch: „Wir Freie Demokraten fordern die russische Regierung auf, die völkerrechtswidrige Besetzung der Krim und den Krieg in der Ostukraine unverzüglich zu beenden.“

Wirtschaftssanktionen kritisiert

Aus der Parteispitze kamen dagegen in den vergangenen Monaten immer wieder russlandfreundlichere Aussagen. Parteivize Wolfgang Kubicki kritisiert ohnehin bei jeder Gelegenheit die Wirtschaftssanktionen gegen Moskau. Lindner selbst bezeichnete den Ausschluss Russland aus der Runde der G8 schon im Mai als Fehler.

Vom Wahlprogramm der FDP ist der ­Vorstoß Lindners nicht gedeckt

Der FDP-Europapolitiker Alex­ander Lambsdorff sagte Mitte Juli der Deutschen Welle: „Ich vermute, dass wir eine Situation wie mit den baltischen Staaten im Kalten Krieg haben werden. Deren Annexion durch die Sowjetunion war auch nicht anerkannt.“ Diesen Vergleich griff Lindner jetzt in seinem Interview auf. Die Bundesrepublik habe die Annexionen im Baltikum nie anerkannt, sie aber akzeptiert, um an anderer Stelle eine erfolgreiche Annäherungspolitik fahren zu können.

Wie diese Akzeptanz konkret aussah? Nachdem Litauen zum Beispiel im März 1990 den Austritt aus der Sowjetunion erklärt hatte, schrieb Helmut Kohl zusammen mit dem französischen Präsidenten einen Brief an die Regierung in Vilnius. Man könne den jungen Staat nicht anerkennen, hieß es darin. Litauen solle die Unabhängigkeitserklärung doch lieber suspendieren.

Die Bundesregierung verhandelte zu dem Zeitpunkt mit Moskau über die deutsche Einheit. Die Belange der Balten sollten die Wiedervereinigung offenbar nicht gefährden.

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