Lars Castellucci (SPD) über Waffenexporte: „Der Bundestag soll das entscheiden“

Der SPD-Abgeordnete Lars Castellucci fordert für bestimmte Rüstungsdeals ein grundsätzliches Verbot. Damit geht er weiter als der Großteil seiner Partei.

Jordanische Beduinenkapelle mit Schützenpanzer

Eine jordanische Beduinenkapelle begrüßt neue Schützenpanzer aus Deutschland Foto: dpa

taz: Herr Castellucci, in knapp vier Regierungsjahren der SPD ist die Zahl der Rüstungs­exporte nicht gesunken, sondern gestiegen. Woran lag ’s?

Lars Castellucci: Die Bilanz ist schon in Ordnung. Die hohen Zahlen zu Beginn fußten noch auf Genehmigungen der Vorgängerregierung, die natürlich nicht komplett wieder abgewickelt werden konnten. Seitdem diese Lieferungen durch sind, sinken die Zahlen wieder. Manche Ausschläge in der Statistik hängen auch an einzelnen unproblematischen Lieferungen. Und gut finde ich, dass wir heute eine sehr viel größere Transparenz haben. Die SPD hat durchgesetzt, dass der Bundestag nicht erst Jahre nach einem Export informiert wird, sondern zum Ende des jeweiligen Halbjahres.

Das Genehmigungsvolumen ist im vergangenen Jahr tatsächlich wieder geschrumpft – vom höchsten Wert aller Zeiten auf den zweithöchsten. Ist die SPD damit zufrieden?

Ich bin damit nicht zufrieden. Ich will weniger Rüstungsexporte. Um das Ziel durchsetzen zu können, brauchen wir aber eine stärkere Position. Dafür müssen wir den Kanzler stellen.

Und was genau würden Sie dann gerne ändern?

Ich bin für eine Parlamentarisierung und damit Demokratisierung der Rüstungsexportpolitik. Im Moment finden Entscheidungen im Sicherheitskabinett statt und hinterher wird der Bundestag informiert. Ein Zwischenschritt wäre es, da für mehr Transparenz zu sorgen: Welcher Minister hat sich in den Sitzungen wie geäußert oder verhalten? Noch wichtiger fände ich es, wenn der Bundestag mehr Kontrollrechte bekäme: Ich bin für ein grundsätzliches Verbot von Rüstungsexporten außerhalb von verbündeten Staaten. Über Ausnahmen soll dann der Bundestag entscheiden.

Das SPD-geführte Wirtschaftsministerium hat mit Experten über ein neues Rüstungsexportrecht beraten. Rechtswissenschaftler mahnten, das Grundgesetz lasse eine Beteiligung des Bundestags nicht zu.

Wenn ich hier im parlamentarischen Betrieb frage, ob irgendein Jurist meint, dass etwas nicht geht, dann finde ich immer einen. Wenn ich deshalb aufhöre, mich zu engagieren, bekomme ich überhaupt nichts hin. Ich formuliere erst mal, was ich will. Wenn ich dafür eine Mehrheit habe, müssen sich hinterher Leute daransetzen, die Regelungen verfassungsfest hinzubekommen.

Der 43-Jährige ist seit 2013 SPD-Abgeordneter. Er ist Mitglied des Innen- und des Europaausschusses sowie Sprecher der AG Demokratie seiner Fraktion.

Und was würde Ihr Vorschlag in der Praxis verändern? Die Mehrheiten im Bundestag ähneln denen im Kabinett. Im Zweifel würde die SPD einen Export mit der Union durchwinken – Stichwort Koali­tions­räson.

Nehmen wir mal die Abschiebungen nach Afghanistan: Nach dem Anschlag in Kabul Anfang Juni haben Grüne und Linke im Bundestag beantragt, nicht mehr abzuschieben. Daraufhin gingen in unserer Fraktionsspitze so viele Meldungen von SPD-Abgeordneten ein, die sich für diesen Antrag aussprachen, dass Bewegung in die Sache kam und die Regierung die Abschiebungen selbst aussetzte. Die Praxis ist also nicht immer so, wie Sie es schildern. Wenn die Abgeordneten auf ihr Gewissen hören, kann eine Entscheidung mal anders ausfallen als hinter verschlossenen Türen im Sicherheitskabinett.

Welche Geschäfte hätte der Bundestag in den vergangenen vier Jahren denn gestoppt?

Die Panzerlieferung nach Katar ist schon einer der Aufreger. Lieferungen nach Saudi-Arabien sind auch so ein Fall.

Man könnte noch weiter gehen und Lieferungen dorthin ohne Ausnahme verbieten. So müssten Sie nicht jedes Mal um Mehrheiten ringen.

Nee. Demokratie ist ja dafür da, dass Entscheidungen auch anders gefällt werden können. Ich glaube nicht, dass wir eine Regelung brauchen oder hinbekommen, die irgendjemanden knebelt.

Bekäme Ihr Vorschlag eine Mehrheit innerhalb der Partei?

Wir haben in der Partei unterschiedliche Meinungen, aber eine Entwicklung ist sichtbar. Inzwischen sagt auch Sigmar Gabriel, dass der Bundestag ein Mitspracherecht braucht. Im Regierungsprogramm steht zwar nicht genau das drin, was ich mir vorstelle, aber die Grundhaltung ist richtig: Die Eindämmung der Rüstungsexporte ist zwingend.

Na ja. Vor vier Jahren forderte die SPD im Wahlprogramm zumindest noch ein Bundestagsgremium, das Genehmigungen kontrolliert. Im aktuellen Programm ist vom Parlament keine Rede mehr.

Dass es fehlt, ist dem Wunsch geschuldet, knapper zu sein. Wir haben versucht, kein 300 Seiten langes Regierungsprogramm aufzuschreiben. Ich wäre aber dafür gewesen, den Punkt reinzuschreiben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.