Frauen in der IT-Branche: Das Stereotyp der Programmierer

Ungleichheiten gibt es nicht nur dort, wo das Internet genutzt wird. Sondern auch dort, wo die Inhalte fürs Netz entstehen.

Schüler und Schülerinnen sitzen vor einem Computer

Programmierkurs in der Schule Foto: imago/Joker

BERLIN taz | Frauen, die programmieren? Nein, wie soll das gehen? „Wenn man Stimmungsschwankungen hat, ist es schwierig zu programmieren“, sagt eine junge Frau, und eine andere ergänzt: „Wenn ich mich aufgebläht fühle, dann komme ich nicht an die Tastatur heran.“

Es ist eines von mehreren Videos der gemeinnützigen US-Organisation Girls Who Code, die klarmachen sollen, dass es natürlich überhaupt keinen Grund gibt, weshalb der Anteil von Programmiererinnen so niedrig ist, wie er ist. Laut dem Branchenverband Bitkom im Monat April lag der Anteil der Studienanfängerinnen in IT-­nahen Studiengängen im Jahr 2015 bei 23 Prozent.

In einer Studie der Universität Bamberg in Zusammenarbeit mit der German Graduate School of Management and Law im Auftrag der Jobbörse Monster heißt es, dass in zahlreichen IT-Abteilungen weniger als ein Zehntel aller Mitarbeitenden Frauen sind.

Nakeema Stefflbauer will das ändern, sie hat dafür eine Non-Profit-Organisation gegründet namens Frauenloop. Seit 17 Jahren arbeitet sie im Softwarebereich und kennt den niedrigen Frauenanteil aus eigener Erfahrung. Sie sagt: „Die meisten Apps und Anwendungen werden von weißen Männern entwickelt, und dementsprechend sind die meisten dieser Produkte auf weiße Männer zugeschnitten.“ Sie setzen den weißen Mann als Standard, als Referenz, wer nicht dazugehört, ist nicht die Norm.

Ein Montagabend Ende Mai. Nakeema Stefflbauer steht im vierten Stock eines Berliner Fabrikgebäudes. Ein Gaming-Start-up hat hier eigentlich seinen Sitz, die Bürolandschaft sieht aus, als hätte jemand haufenweise Schreibtische in einen Spielplatz platziert.

Am 7. und 8. Juli treffen sich in Hamburg die Staatschefs der größten Industrie- und Schwellenstaaten zum G20-Gipfel. Die taz berichtet dazu in einem laufend aktualisierten Schwerpunkt und ab dem 1. Juli mit täglich 8 Sonderseiten.

Doch wenn die Angestellten nach Hause gegangen sind, treffen sich hier im hintersten Raum die, die vielleicht die ProgrammiererInnen der Zukunft sind. Viele Frauen, mit Kopftuch, ohne Kopftuch, die Arabisch, Englisch, Deutsch miteinander sprechen; ein paar Männer sind auch dabei, doch sie sind heute Abend in der Minderheit. Sie alle lernen neue Sprachen: HTML und Javascript, SQL und Python.

Eine von ihnen ist Christina Galani. Sie arbeitet sich gerade durch HTML und CSS, die Basis für das Bauen von Webseiten. Die Studentin hofft, ihre Kenntnisse eines Tages auch beruflich nutzen zu können. Der niedrige Frauenanteil in der Branche schreckt sie nicht, auch wenn sie sagt, dass sie die Atmosphäre hier – weitgehend unter Frauen – als angenehm empfinde. „Als Physikerin bin ich es gewohnt, als Frau in der Minderheit zu sein.

Wie die Norm vom weißen männlichen Programmierer zu Diskriminierung führen kann, zeigt eine Untersuchung der University of Washington: Wer den Begriff CEO in die Suchmaschine Google eingibt, bekomme nur in 11 Prozent aller Fälle Bilder von Frauen angezeigt. Zumindest in den USA seien aber 27 Prozent aller CEOs weiblich. Ganz weit vorne unter den angezeigten weiblichen CEOs: die Barbiepuppe in ihrer Businessversion.

Bei Xing fand der Suchalgorithmus bis vor Kurzem etwa bei der Eingabe „Fotograf“ nur männliche Fotografen. Und Laura Laugwitz von der Gruppe Rails Girls Berlin, die ebenfalls Programmierworkshops für Frauen anbietet, nennt als Beispiel ein Stück Hardware: die Apple Watch. Die habe technik­affinen Frauen in ihrer ersten Version keine Möglichkeit ­geboten, die Periode zu tracken.

Auch Geld spielt eine Rolle

Dass Frauen in der Branche unterrepräsentiert sind, hat auch etwas mit Geld zu tun – und mit der Kultur von Start-ups. So bekommen Gründer deutlich einfacher Geld von Investoren als Gründerinnen.

Und die Gründer setzen gerade in ihrer Anfangsphase häufig auf Studienkollegen oder Bekannte als Mitarbeiter – also das eigene, meist männlich dominierte Netzwerk. So entsteht, noch ganz ohne unterschwellige Diskriminierung beim Scannen der Bewerbungsunterlagen oder beim Vorstellungsgespräch, ein Ungleichgewicht. „Es entsteht eine Kultur, in der Frauen sich nicht besonders wohlfühlen und weibliche Eigenschaften abgewertet werden“, sagt Laugwitz. Ansetzen müsse man bei der Ausbildung in den Schulen und den Universitäten – und bei der Bezahlung, deren Höhe ­immer noch sehr verschieden sei.

Daran, dass die Unternehmen von sich aus etwas ändern, glauben weder Laugwitz noch Stefflbauer. Daher müssten die Frauen selbst die Initiative ergreifen – schon aus eigenem Interesse.

„Programmierer ­designen heute die Zukunft“, sagt Stefflbauer. Wer also nicht programmieren könne, dem bleibe ein Teil der Gestaltungsmöglichkeiten verschlossen.

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