Karlsruhe muss entscheiden: Klage gegen Videoüberwachung

Piraten-Politiker beschweren sich beim Verfassungsgericht: Zu viele private Kameras verletzten die informationelle Selbstbestimmung.

Ein Mann beobachtet Bildschirme, die Videoüberwachungsaufnahmen der Ubahn zeigen

Einkaufszentren, Diskotheken, Nahverkehr: Die Piraten-Politiker klagen gegen zu viel Überwachung in privaten Einrichtungen Foto: dpa

FREIBURG taz | Drei Piraten-Politiker haben in Karlsruhe gegen das neue Gesetz zur Videoüberwachung geklagt. Sie wollen damit die von der großen Koalition beabsichtigte Ausweitung privater Videoüberwachung verhindern.

Das Gesetz wurde im März vom Bundestag beschlossen. Es sieht vor, dass Einkaufszentren, Diskotheken, Sportstadien und Nahverkehrsbetreiber künftig leichter (und damit häufiger) Videoüberwachung einsetzen können. Bei der Abwägung, ob private Kameras zulässig sind, soll künftig „in besonderem Maße“ auch der „Schutz von Leben, Gesundheit und Freiheit“ der Besucher berücksichtigt werden.

Anlass war eine Intervention des Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar. Er hatte 2010 einen Einkaufszentrumsbetreiber gezwungen, einen Teil seiner Videokameras abzubauen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte das Gesetz eingebracht, um solche Interventionen der Datenschützer künftig zu vermeiden.

Gegen das Gesetz klagen nun die Piratenpolitiker Anja Hirschel (Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl), Stefan Körner (Exbundesvorsitzender) und Frank Herrmann (Ex-NRW-Abgeordneter). Sie haben als Privatpersonen Verfassungsbeschwerde erhoben, weil sie sich gerne unbeobachtet in der Öffentlichkeit bewegen. Verfasst wurde die Klageschrift vom Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik, einem Experten für Verfassungsbeschwerden.

Schutz vor allumfassender Überwachung gehöre zur „Verfassungsidentität“

Die Kläger gehen davon aus, dass die im Gesetz vorgesehenen Erleichterungen bald zu einer anlasslosen und flächendeckenden Videoüberwachung führen, der sie nicht mehr ausweichen können. Es sei aber unverhältnismäßig, wenn die vorsorgliche Gefahrenabwehr generell Vorrang vor der informationellen Selbstbestimmung der Passanten erhalte. Der Schutz vor allumfassender Überwachung gehöre schließlich zur „Verfassungsidentität“ Deutschlands, zitieren die Kläger das Bundesverfassungsgericht.

Entscheidung kann dauern

Videoüberwachung sei auch gar nicht geeignet, Gewaltkriminalität zu verhindern. Gerade betrunkene oder sonst aggressive Täter handelten meist impulsiv und unüberlegt, so die Kläger. Auch religiös und politisch motivierte Täter ließen sich von Videokameras nicht abschrecken.

Über Klagen gegen Sicherheitsgesetze entscheidet das Verfassungsgericht meist erst nach vielen Jahren, weil der extrem gründliche Richter Johannes Masing zuständig ist.

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