Debatte Absetzung von Donald Trump: Der Besuch des alten Herrn

Das Szenario eines möglichen Impeachments Trumps trägt Züge eines Dramas, wie es sich Dürrenmatt nicht besser hätte ausdenken können.

Trump geht und winkt

Naht das Ende? – Kostümierter auf LGBT-Demo in New York Foto: ap

In „Der Besuch der alten Dame“ erzählt Friedrich Dürrenmatt den tragischen Tod eines Dorfkrämers, der einer alten Sünde und einer sich selbst verstärkenden Spirale um sein absehbares Ende zum Opfer fällt. Donald Trumps Schicksal im Gefolge der Comey- und Russland-Affäre könnte sich möglicherweise auf ähnlichen Bahnen abspielen. Rein dramaturgisch gesehen wären alle notwendigen Elemente dafür vorhanden.

Alfred Ill ist Krämer in einem von Niedergang und Arbeitslosigkeit geplagten Ort. Eines Tages erscheint eine reiche alte Dame, die mit ihm aus Jugendtagen noch eine Rechnung offen hat, und macht den Dorfbewohnern ein Angebot: Sie stellt eine beträchtliche Investition – eine Milliarde! – in Aussicht für den Fall, dass der Krämer getötet wird.

Das Angebot erscheint zunächst ungeheuerlich: Ill ist ein alteingesessenes Mitglied der Dorfgemeinschaft, ihn zu töten, erscheint unvorstellbar. Zunächst geschieht nicht mehr, als dass ein Kunde in seinem Laden vergleichsweise hochpreisige Zigaretten kauft und den Kaufpreis anschreiben lässt – den Umstand ausnutzend, dass Ill in einer Position der Schwäche und Abhängigkeit ist und nicht Nein sagen kann.

Das Beispiel macht Schule, immer mehr Dorfbewohner erwerben immer mehr Waren auf Kredit, verschulden sich an allen möglichen Stellen bis über beide Ohren, bis die vielen Akte des Lebens auf Pump sich auf gruslig subtile Weise zu einer Situation summieren, in der der akkumulierte Schuldenberg von großteils arbeitslosen Personen nicht mehr anders bewältigt werden kann als dadurch, dass das Angebot der Dame angenommen wird. Die Frage ist dann nur noch, wie und durch wen das blutige Geschäft erledigt wird, was am Schluss in einem ebenso feigen wie entschlossenen kollektiven Akt geschieht.

Königsmörder stehen nicht sofort auf der Matte

Im Fall von Trump handelt es sich nicht um eine Dame, sondern um einen Herrn – Sonderermittler Robert Mueller –, der auf der Bühne erscheint mit einem Szenario, das nicht mehr weggehen wird: dem Szenario des Impeachment. Dieses mag seine Wirkung schleichend entfalten, ebenso wie das Angebot der Dame, das erst nach Wochen oder Monaten, jedenfalls nach einem längeren, sich aufbauenden Prozess zur Erfüllung gelangt. Auch in Washington stehen nicht sofort Königsmörder auf der Matte.

Aber viele Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass mit der Zeit immer mehr republikanische Kongressabgeordnete auf Distanz zu Trump gehen werden. Viele von ihnen haben Trump ja ohnehin nie von Herzen geliebt, sondern mehr aus Gründen der Parteiräson unterstützt.

Das laufende Ermittlungsverfahren mag dazu führen, dass eine Assoziation mit Trump nun als Risikofaktor für die nächsten Wahlen gilt, und auch Kongressabgeordneten ist vorrangig an ihrer eigenen Wiederwahl gelegen. Eine bröckelnde republikanische Mehrheit im Kongress aber würde es Trump noch schwerer machen, Gesetzesvorhaben umzusetzen und seinen Anhängern wenigstens irgendwelche politischen Erfolge zu präsentieren.

Auch könnten es unter diesem Bedingungen Trumps Minister zunehmend schwer haben, die noch offenen Posten in ihren Ministerien zu besetzen. In vielen Ministerien sind wichtige Positionen in den Führungsetagen immer noch verwaist, während die Mitarbeiter in den niedrigen Rängen mehr oder weniger geschlossen auf Abwehr spielen. Solange Trumps Regierung unter dem Stern eines möglichen Impeachment und eines unrühmlichen Endes steht, dürften etliche Kandidaten zögern, sich auf einen solchen Posten setzen zu lassen – jedenfalls Kandidaten, die noch offene Karrieren in Washington vor sich haben.

Es braucht keine Mutigen

Hier sind Momente einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung im Spiel: Je stärker ein mögliches Impeachment oder ein sonstiges Ende der Trump-Regierung im öffentlichen Diskurs präsent ist, desto stärker wird die Zersetzungskraft einer solchen vorwegnehmenden Distanzierung. Das Hinterhältige daran ist, dass es – ganz wie bei Dürrenmatt – nicht unbedingt starke und mutige Positionierungen gegen Trump sein müssen, die sein Ende schleichend befördern; es genügt ein vorsichtiges, zukunftssensibles Agieren von vielen Seiten.

Auch bei Dürrenmatt handeln die Dörfler ja keineswegs in finsterer Entschlossenheit, vielmehr zögern sie den immer unumgänglicher werdenden Schlussakt so lange wie möglich hinaus. Sie handeln nur in der vagen Ahnung einer sich ändernden Situation, eines in der Zukunft bevorstehenden Geldsegens, der aber für jeden Einzelnen nicht als Folge eigenen Handelns vor Augen steht, sondern als eine irgendwie sich ergebende neue Globalsituation.

Ob es für ein Impeachment von Trump am Ende ausreichend juristische Handhabe geben wird, ist völlig offen. Inwiefern er FBI-Chef Comey in justizbehindernder Weise Anweisungen gegeben oder sich nur tolpatschig ausgedrückt hat, ist interpretierbar und vielleicht nicht gerichtsfest. Die Strategie des Aussitzens, die Trump verfolgt, könnte sich insofern auch bewähren.

Eine interessante Zwischenfrage wird sein, wie Trump sich zu seinem Schwiegersohn Jared Kushner verhält, wenn dieser wegen dubioser Kontakte zu russischen Diplomaten und Bankern stärker unter Beschuss gerät. Dass Trump sich von Kushner distanziert, ist kaum vorstellbar; aber ob die Strategie nach dem Motto „Ist doch gar nichts gewesen“ hier ziehen wird, ist ungewiss. Vielleicht tritt Trump ja auch unter dem monatelangen Gefühl des Blockiert- und Gejagtseins in einem großen Knall und einer großen letzten Pose des Beleidigtseins selbst zurück: „Selbst schuld, wenn Amerika mich nicht hat machen lassen, sich nicht hat retten lassen.“

Zwischenzeitlich könnten vielleicht hilfreiche Zeitgenossen Trump ein Exemplar von Dürrenmatts Drama ins Weiße Haus schicken, zur gemütlichen Nachtlektüre. Das Gefühl des in einem Haus sich zunehmend verschanzenden Krämers Ill wird Trump sicher nachvollziehen können – belagert von kriechender Feindseligkeit, noch nicht glaubend, dass es wirklich so sein könnte, und doch kein Gegenmittel gegen die sich entfaltende Dynamik findend.

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