Mai 2017 in rechten Publikationen: Die Übergangsmedien

„Tichys Einblick“, „Achse des Guten“ und „Cicero“ bilden die Brücke zum rechten Rand. Unter rechten Twitterern und Facebook-Profilen sind sie beliebt.

Ein Tor und Schild, auf dem "Rommelkaserne" steht

Schrecklicher Verdacht: Ist diese Bundeswehrkaserne etwa nach einem Wehrmachtsoffizier benannt? Foto: dpa

Seit Ende Mai versucht sich der rechte Blog PI-News an einem Relaunch, der nicht so richtig gelingen will. Die neue Website enthält aber ein interessantes Detail: Die neue Kategorisierung von Nachrichten. Wo bei regulären Medien „Politik“, „Wirtschaft“ und „Panorama“ steht, heißt es bei PI-News: „Einwanderung“, „Kriminalität“, „Islam“, „Linke“ und „Medien“.

Das Schema offenbart, was auch an dieser Stelle schon analysiert wurde: Die rechte Szene ist heutzutage vor allem islamfeindlich, einwanderungsfeindlich, linkenfeindlich, medienfeindlich und beschäftigt sich obsessiv – wenn auch nicht besonders tiefgründig – mit vermeintlicher Kriminalität von Nicht-Weißen.

Ähnlich verhält es sich mit den Inhalten, die rechte aus den regulären Medien rezipieren. Eine Auswertung für April zeigte bereits, dass rechte Twitterer am liebsten Artikel von Welt, Focus und Bild teilen und dabei am liebsten Kriminalitätsmeldungen mit nicht-weißen Tatverdächtigen lesen.

Dieses Phänomen bestätigte sich nun auch im Mai: Von 163 gesammelten Artikeln, die besonders oft geteilt wurden, waren 42 aus der Welt, 28 aus dem Focus und 20 aus der Bild – alle anderen Medien kamen höchstens fünf Mal vor. 53 Texte beschäftigten sich mit Kriminalität durch Nicht-weiße, 28 mit Asyl und Geflüchteten und 18 mit der AfD.

Gemeinsame Themen

In der vergangenen Woche wurde aber ein weiterer Medientypus sichtbar: „Übergangsmedien“, die gesellschaftlich anerkannter sind als rechte Medien, aber teilweise deren Agenda teilen. Das Medienmagazin Übermedien berichtete am Montag, wie die Blogs Tichys Einblick und Achse des Guten mit einer verzerrten Wiedergabe eines Zitats eine Kampagne gegen die Theologin Margot Käßmann fuhren, die auch von der AfD und in rechten Medien aufgenommen wurde.

Beide Blogs sind unter den von der taz beobachteten rechten Twitterern beliebt und ein drittes Medium taucht ebenfalls regelmäßig auf, wenn auch seltener: die Zeitschrift Cicero. Eine Analyse der taz mit dem Social-Media-Analysewerkzeug „Crowdtangle“ zeigte zudem: Auch auf Facebook sind die wichtigsten – und fast ausschließlichen – Verbreiter dieser Medien AfD-Profile und andere rechtsextreme Seiten.

Inhaltlich passen Tichys Einblick und Achse des Guten auf vielfache Weise auf die Agenda, die auch bei PI-News sichtbar wurde: Sie sind an vielen Stellen feindselig gegenüber Grünen und SPD – aber auch gegenüber der CDU, sie betreiben immer wieder pauschale Kritik an einem wachsenden Anteil von Muslimen, versuchen Einwanderung zu diskreditieren und befürworten einen ethnisierten Blick auf Kriminalität, insbesondere interessiert sie Kriminalität von Nicht-Weißen.

Beide bezeichnen sich außerdem – wie die meisten rechten Medien – als „Alternativen“ zum „Mainstream“. Der Cicero ist vielfältiger, aber auch dort fnden sich regelmäßig Texte, die Kriminalität ethnisieren oder, ausgehend von islamistischen Anschlägen, Integration für gescheitert erklären.

(Lesen Sie auch: „Ein neuer Ton“ – seit Beginn der Flüchtlingsdebatte nähern sich Texte des „Cicero“ dem rechten Rand.)

Im Folgenden werden mehrere Themen besprochen, die auf den Onlineauftritten von Junge Freiheit und Compact von Bedeutung waren. PI-News fehlt in diesem Monat, da der versemmelte Relaunch viele Teile der Seite auch für mich unerreichbar machte.

Von der Leyen und Neonazis in der Bundeswehr

Ende April wurde der Bundeswehrsoldat Franco A. festgenommen, weil er eine illegal beschaffte Pistole auf dem Wiener Flughafen deponierte. Später stellte sich heraus, dass A. an einer französischen Militärhochschule eine eindeutig rechte Abschlussarbeit geschrieben hatte und seit Ende 2015 ein Doppelleben als syrischer Flüchtling führte. Als später in einer Kaserne auch noch Wehrmachtsevotionalien gefunden wurden, begann eine Diskussion um rechtsextreme Einstellungen unter Soldat*innen. Im Mai kündigte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Reformen für die Bundeswehr an.

Compact brachte die Geschichte offenbar auf die Barrikaden. „Alles Nazis außer Muschi?“, fragte ein Kommentar, in seiner Aufregung in Sexismus verfallend und verharmloste die rechtsextremen Pläne der festgenommenen Soldaten als „verwandtschaftliche Streiche mit bösem Ausgang“. In einem späteren Kommentar heißt es, statt der Reformpläne der Ministerin sollten lieber NS-Mahnprogramme im Fernsehen gestrichen werden – dann würden Wehrmachts-„Andenken“ von alleine ihren Reiz verlieren.

Auch die Junge Freiheit zeigte sich von der gesamten Geschichte inspiriert: Neben Berichten wurden ein gutes halbe Dutzend Kommentare geschrieben – viel für ein Portal, das täglich nur etwa drei Texte veröffentlicht. Mehrere Kommentare schrieben, dass Von der Leyens Handeln demoralisierend für die Truppe sei. Die Entfernung von Wehrmachtsdevotionalien aus den Kasernen sei von einem „exorzistischem Wahn“ getrieben, beziehungsweise sei ein ins „Pathologisch gesteigerter Hygienefimmel“. In weiteren Texten wird Von der Leyen direkt angegriffen: Sie sei eine Gouvernante, die die Bundeswehr wie ein Mädchenpensionat führe, beziehungsweise eine „brave Geschichtslegasthenikerin“.

Wahl in Nordrhein-Westfalen

Für rechte Medien war die Niederlage der rot-grünen Regierung in NRW ein Grund zum Feiern. Mit spürbarer Schadenfreude verkündeten sowohl Compact, als auch Junge Freiheit das Wahlergebnis. Bei der AfD zeigte sich dagegen die politische Ausrichtung der beiden Blätter: Während Compact „trotz Pretzell“ eine Wahlempfehlung für die AfD aussprach, zeigte sich die Junge Freiheit deutlich freundlicher und interviewte den Landeschef der Partei. Die Wochenzeitung versuchte sich auch an einer Normalisierung der rechten Partei, indem sie CDU, FDP und AfD zu einem „bürgerlichen Block“ zusammenzählte.

Nicht überraschend waren deshalb die Berichte von falsch ausgezählten AfD-Stimmen in zahlreichen Wahllokalen für beide Medien von Bedeutung. Mehr als 2.000 Stimmen hatten gefehlt, allerdings ohne Auswirkung auf die Zusammensetzung des Landtages. Die Polizei ermittelt wegen Wahlfälschung.

Fake News

Die Junge Freiheit versucht sich an einem Format, das bisher nur bei PI-News vorkam: eine Aufzählung von Straftaten, bei denen nicht-weiße Männer verdächtigt werden. Dabei zählt sie auch einen Fall auf, der sich eine Woche später als erfunden erweist. Der Text wurde nicht korrigiert.

Die Junge Freiheit berichtet außerdem über eine Studie, derzufolge angeblich 98 Prozent aller ARD-Berichte über Trump negativ ausfallen und führt das im Titel auf das „Wunschdenken deutscher Journalisten“ zurück. Tatsächlich zählt die Studie nur einen Teil aller Berichte und eignet sich zudem nicht, um die Voreingenommenheit von Journalist*innen zu messen.

(Lesen Sie auch: „Es reicht nicht, zu dementieren“ – Interview über Falschmeldungen im Netz mit der Hoaxmap-Gründerin Karolin Schwarz.)

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