Wahlparty von Emmanuel Macron: Luftsprünge für den Neuen

Begeisterung für das „kleinere Übel“: Die AnhängerInnen Macrons sind vor Freude außer sich. Sie feiern ausgelassen den Sieg über Le Pen.

Ausgelassene junge Menschen

Jubel bei Macron-Anhängerinnen Foto: dpa

PARIS taz | Sundaynightfever am Louvre: Wenn nur nicht der stets inkognito bleibende Moderator der Wahlparty von Macron so grottenschlecht wäre. „Wie ein Staubsaugervertreter“, murmelt ein Journalistenkollege in der zwanzig Meter langen Schlange vor den vier Unisextoiletten für Tausende von Feiernden.



Doch das ist jetzt um 21.40 Uhr auch schon egal. Emmanuel Macron hat bereits aus seiner Parteizentrale im 15. Arrondissement heraus eine fast demütige Dankesrede ans Wahlvolk gerichtet. Hat von Hoffnung und Aufbruch gesprochen, hat es sogar geschafft, auch noch die Erderwärmung zu erwähnen und das wichtigste – er hat von den „Völkern Frankreichs“ gesprochen, nicht dem einen französischen Volk. Die Menschen jubeln, johlen, glasig-freudige Blicke sind nicht selten. Erleichterung ist spürbar. Entspannung. Später an diesem Abend wird Macron noch vor der Kulisse der Glaspyramide des Louvres live auftreten.



„Yeah, yeah, oui, oui, yes we can!“ Die Menge hüpft hoch und runter, schwingt Frankreich- und Europafahnen, auch Regenbogenflaggen sind darunter. Und dann ist es noch einmal, bevor wieder ohrenbetäubende Disco- und Dancefloormucke vom DJ am Pult kommt, ganz kurz seltsam still. Als wenn so mancher nicht glauben kann, dass Emmanuel Macron es nicht knapp, sondern mit 65,8 Prozent geschafft hat. Er ist der neue und der jüngste Staatspräsident der französischen Republik und für die anstehenden Parlamentswahlen im Juni wird es mit diesem Ergebnis nicht ganz so kompliziert für ihn, eine Regierung zu bilden.



Um 20.01 Uhr, unmittelbar nach den ersten positiven Hochrechnungen, reißen sich schon einige schwarze Jungs aus der Banlieue aus Freude ihre knallbunten Macron-Fanshirts vom Leib, trotz der ungemütlichen, so gar nicht Frühling bedeutenden Witterung. Sie wedeln mit den Shirts, sie beißen vor Freude rein, es sind Tausende von jungen Leuten, aber auch abertausende ältere Menschen, die hier zum Louvre mitten im 1. Arrrondissement von Paris gekommen sind.



„Das bin ich meinen Eltern schuldig, dass ich heute abend hier bin“. Sarah Abdul strahlt, sie wedelt mit der Europafahne, sie macht einen Luftsprung, gefühlt fast so hoch wie die gläserne Pyramide im Hof des Louvre. Dort findet die „soirée éléctorale“, die Wahlparty von Emmanuel Macron statt. Ehrwürdiges Ambiente, puttenverziert, trifft hier auf die gerade mal ein Jahr alte Bewegung „En Marche“ von Macron.

„Endlich mal werden wir heute nicht kontrolliert“



Sarah Abdul hat israelisch-palästinensische Wurzeln, sie ist in Paris aufgewachsen, „und das ging nur weil meine Eltern geschuftet haben wie blöde.“ Die zierliche 30-jährige Bibliothekarin ist sich sicher: „Es gab keine andere Wahl als für Macron zu wählen. Meine Eltern haben ja noch nicht mal einen französischen Pass, das wäre mit Le Pen ein Alptraum für uns alle geworden.“



Ein paar Meter unter dem Rednerpult von Macron, im Tiefgeschoss des gigantischen Einkaufszentrum Carrousel de Louvre, wo im Februar noch ein terroristisch motivierte Messerattacke stattgefunden hatte, dort feiern sie mit ohrenbetäubender Discomucke. Anhänger laufen wie junge Hunde herein ins Rund, manchen Kindern gehen die pinken oder hellblauen Fanshirts bis zu den Fesseln. Dazwischen nieselt es ein bisschen und auf France 2 spricht eine sichtlich erleichterte Ségolène Royal, die Ex-Frau von François Hollande und noch sozialistische Umweltministerin von „einem überfälligen Generationenwechsel“. Sie wird sich Chancen ausrechnen, zusammen mit Emmanuel Macron und anderen Überläufern der Altparteien, möglicherweise Politikgeschichte zu schreiben.



Regenschirme und Rucksäcke sind heute Abend erlaubt, die Polizei hat Schwierigkeiten, die Massen, die zur „Esplanade de Louvre“ strömen, alle zu kontrollieren. Hinter den Kastanien sind reihenweise Scharfschützen postiert. „Endlich mal werden wir heute nicht kontrolliert“, sagt Subsa Okwani aus dem Niger. Er schleppt in einer bunten Baumwolldecke hunderte von kleinen Eiffelturmschlüsselanhängern für 50 Cent das Stück mit sich herum. „Hier: ich schenke ihnen einen goldenen Eiffelturm, weil Macron gewonnen hat. Le Pen soll sich zum Teufel scheren.“

Die Verfluchte beißt derweil, sichtbar auf den Großbildschirmen am Louvre und dort von ohrenbetäubenden Buhrufen begleitet, fast schon tapfer ihre schmalen Lippen auf der verpatzten Wahlparty im Pariser Bois de Vincennes zusammen.
 Marine Le Pen kann jetzt erstmal baden gehen. Emmanuel Macron dagegen wird sein Bad in der Menge heute abend genießen.

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