GZSZ feiert ihren 25. Geburtstag: Gute Zeiten für deutsches TV

Seifenopern wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ werden meist belächelt. Dabei sind sie das Progressivste im hiesigen Fernsehen.

Schauspieler Wolfgang Bahro, bekannt als charmanter Bösewicht Jo Gerner und Ulrike Frank als Katrin Flemming-Gerner in der RTL-Soap «Gute Zeiten, schlechte Zeiten»

Die älteste Serienfigur: Wolfgang Bahro (vorne) spielt seit Folge 185 den Anwalt Jo Gerner Foto: Sebastian Geyer/RTL/dpa

In der neuen Serie „Der Stalker“ verliebt sich der Medizinstudent Philipp in die junge Kellnerin Elena, die nach einem Sexualverbrechen schwer traumatisiert ist. Doch Elena erwidert Philipps Zuneigung nicht. Als er ihr zum Geburtstag anonym einen Strauß Blumen schickt, glaubt Elena, das Geschenk komme von jenem Mann, der sie beinahe vergewaltigte. Die Angst vor ihrem Peiniger treibt Elena in Philipps offene Arme. Philipp erkennt, dass er den Stalker, den es nicht gibt, am Leben halten muss, um Elena nah sein zu können.

Spannend? Würden Sie einschalten? Reingelegt: Die Geschichte ist keine sogenannte „Qualitätsserie“ aus den USA, sondern ein Handlungsstrang aus der RTL-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, die heute 25 Jahre wird – an dieser Stelle alles Gute und noch ein langes Leben!

Statt sehnsüchtig gen USA zu blicken oder über schlechte deutsche Produktionen zu schimpfen, lohnt es sich, dahin zu schauen, wo in Deutschland ziemlich gutes Fernsehen gemacht wird.

Auf die Soaps.

Die werden noch immer belächelt, dabei hat speziell „GZSZ“ einige der mutigsten Geschichten erzählt, die das deutsche Fernsehen bisher gesehen hat. Das liegt an den Inhalten und den Schauspielern, aber auch an der Produktionsweise.

Von Anfang an hat GZSZ nach dem „writer’s room“-Prinzip gearbeitet: Nicht der einsame, genialische Autor schreibt das Drehbuch, sondern eine Gruppe.

Fest angestellt, fair bezahlt

Soaps erzählen die mutigsten Geschichten: GZSZ beschäftigte sich zum Beispiel schon vor Jahren mit Misshandlung in der Bundeswehr

Zusammen werden Geschichten gesucht und verworfen, am Ende der Woche schreibt jeder Autor aus den Einfällen der Gruppe eine Folge. Seit Netflix und Amazon auch in Deutschland erfolgreich sind, versuchen hiesige Produktionsfirmen, dieses Modell zu kopieren. Hätten sie doch mal bei den verlachten Soaps nachgefragt.

Auch wird den Autoren mehr Einfluss auf die Produktion der Serie eingeräumt, sie sind wie in den USA fest angestellt und werden fair bezahlt. Das alles unter heftigsten Produktionsbedingungen: 250 Folgen im Jahr. Das ist ein 90-Minüter pro Woche.

Deshalb ist Soap-Autor zu sein auch keine Karrieresackgasse, im Gegenteil: Soap-Autoren werden entdeckt, so wie früher die Popsternchen Oli P und Yvonne Catterfeld. Die Macher der gefeierten Serien „4 Blocks“ und „You are wanted“ etwa haben eine GZSZ-Vergangenheit.

Aber nicht nur die Produktions- und die Erzählweise sind fortschrittlich, auch die Wahl der Schauspieler sowie der Themen: Tatsächlich ist nichts linksgrünversiffter als die Soap. Das erste schwule Paar des deutschen Fernsehens gab es in der „Lindenstraße“. Bei GZSZ traten schon deutsch-türkische Serienfiguren auf, als der „Tatort“ noch die Diversität von Brandt-Zwieback hatte. GZSZ beschäftigte sich schon vor Jahren mit Misshandlung in der Bundeswehr, macht spannende Geschichten über Pressefreiheit, Magersucht, Sterbehilfe.

Fernsehen für die Massen

Am Anfang, 1995, kam das nicht gut an, es waren schlechte Zeiten für die Soap, die Quoten niedrig. RTL hat das ausgehalten und wurde belohnt. Jetzt zeigt GZSZ, dass man mit diesen Themen und dieser Diversität erfolgreiches Fernsehen für die Massen machen kann. Keine Einschaltquoten wie Breaking Bad, die selbst in den USA Nischenfernsehen machen. Die Quote von GZSZ in der Zielgruppe 14 bis 49 Jahre liegt regelmäßig über 20 Prozent, das schafft am Vorabend keine andere Sendung außer „heute“ und „die tagesschau“. Viele deutsche Soaps wie „Marienhof“ und „Verbotene Liebe“ wurden abgesetzt. Selbst die „Lindenstraße“ ist für GZSZ keine Konkurrenz, sie hat weniger als ein Drittel der Zuschauer der RTL-Soap.

Natürlich gibt es nach so vielen Jahren Probleme mit der Glaubwürdigkeit mancher Figuren: Es gibt kaum Figuren, die nicht schon mehrfach verliebt, verlobt, verheiratet, geschieden, drogensüchtig, hetero und homo waren.

Aber: Geht es uns Zuschauern im Laufe des Lebens nicht ähnlich?

Für die Diversität und die Erzählkunst im deutschen Fernsehen hat GZSZ mehr getan als viele Sendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, bei denen nach 90 Minuten Krimi die Videokassette voll ist. Die Soap beweist, dass deutsches Fernsehen nicht nur mit Stasi und Hitler erfolgreich ist. Auf die nächsten 25 Jahre!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.