Kommentar Neuwahl in Großbritannien: Mays Blankoscheck

Das Parlament gibt grünes Licht für die Neuwahl. Premier May hat damit ihr Ziel erreicht: Die Opposition ausschalten und durchregieren.

Corbyn spricht in einer Menschenmenge

Seine eigene Labour-Partei wird Jeremy Corbyn wohl schon bald die Tür weisen Foto: ap

Die Briten dürfen wieder mal wählen. Am Mittwochnachmittag stimmte das Unterhaus mit großer Mehrheit für die von Premier Theresa May angestrebten Neuwahlen. Es sei zu ihrem Besten, will ihnen May weismachen- und macht sich damit völlig unglaubwürdig. Monatelang hatte sie Neuwahlen kategorisch abgelehnt, zuletzt im März. Bei einem Spaziergang in den walisischen Bergen habe sie kürzlich aber eine Eingebung gehabt: Das Land brauche Wahlen.

In ihrer Rede, mit der sie dem Volk am Mittwoch ihr Wendemanöver zu erklären versuchte, führte May ihre Argumente sogleich ad absurdum. Es war eine Ich-Rede, es ging nur um sie und ihre Vision für den Brexit. Aber die kennt vermutlich nicht mal sie selbst, weil es bei Verhandlungen ja mindestens zwei Beteiligte gibt. May verlangt nichts anderes als einen Blankoscheck für diese Verhandlungen. Als Begründung gibt sie die Spaltung im Parlament und die widerspenstige Opposition an.

Jemand sollte ihr erklären, dass das nun mal so ist in einer Demokratie. In Wahrheit gibt es nicht den geringsten Grund für Wahlen. Die Regierung ist in keiner Krise, es droht kein Krieg, und die Wirtschaft ist nicht am Boden. Es geht May lediglich darum, die Labour Party zu zerstören. Und die ist ihr williger Helfer.

Labour-Chef Jeremy Corbyn hätte seiner Partei verordnen können, gegen Neuwahlen zu stimmen und sie dadurch zu verhindern. Er tat es aber nicht. Damit hat er sich sein eigenes Grab geschaufelt, spätestens auf dem Parteitag im Herbst wird ihn seine Partei in die Wüste schicken. Wer so mutlos agiert, hat es nicht anders verdient.

Es ist gar nicht so lange her, dass das britische Parlament beschlossen hat, die Länge der Legislaturperioden festzuschreiben, damit sich keine Regierungspartei den für sie günstigsten Moment für Wahlen aussuchen kann. May hat dieses Gesetz unterlaufen. Sie erhofft sich von den Wahlen, dass abweichende Meinungen eliminiert werden. Oppositionelle Stimmen im Parlament sind ihr ein Ärgernis.

Schlimmer ist jedoch, dass sie mit ihrer Taktik wohl durchkommen wird. Das ist kein gutes Zeichen für die britische Politik, und schon gar nicht für die Brexit-Verhandlungen.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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