Energiewende in der EU: Das Ende der Kohleverstromung

Europas Stromkonzerne geben überraschend den Einstieg in den Kohleausstieg ab 2020 bekannt. Nur in Polen und Griechenland sträubt man sich.

Dampf steigt aus den Kühltürmen und Schornsteinen des RWE-Braunkohlekraftwerks Neurath bei Grevenbroich

Wann der Kohleausstieg genau kommen wird, ist unklar Foto: dpa

CHIANG MAI taz | Das CO2-Budget der Menschheit geht zu Ende. Um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist es mit den aktuellen Emissionen Ende Mai 2021 aufgebraucht. Für 2 Grad hat die Welt noch etwas länger Zeit: bis Ende Mai 2036.

Dies scheinen nun auch Europas Stromkonzerne verstanden zu haben. Am Mittwoch haben sie überraschend den Einstieg in den Kohleausstieg bekannt gegeben. Eurelectric, der Verband der europäischen Stromerzeuger, hat beschlossen, „ab 2020 nicht mehr in den Neubau von Kohlekraftwerken zu investieren“. De facto bedeutet dies, dass nach 2020 kein neues Kohlekraftwerk mehr ans Netz geht – mit zwei Ausnahmen: Polen und Griechenland haben sich die Selbstverpflichtung nicht zu eigen gemacht.

In der EU sind gemäß der Umweltorganisation Coalswarm derzeit sechs Kohlekraftwerke im Bau: in Deutschland (das Kraftwerk Datteln 4 des Stromkonzerns Uniper), vier in Tschechien und eins in Bulgarien. Drei weitere sind in Planung: eins in Schottland und zwei in Deutschland. Bei Letzteren handelt es sich um das Braun­kohlekraftwerk des Stromkonzerns RWE in Niederaußem (BoAplus genannt) und um ein Kraftwerk des Chemiekonzerns Dow in Stade.

Da diese Kraftwerke kaum vor dem Jahr 2020 am Netz sein dürften, sind sie direkt von der Eurelectric-Ankündigung betroffen. Die taz hat die drei betroffenen Firmen gefragt, ob sich wegen der Eurelectric-Ankündigung ihre Planung ändert. RWE und Dow haben diese Frage bislang nicht beantwortet. Summit Power hat mitgeteilt, dass in ihrem Kraftwerk die Kohle erst in Gas umgewandelt wird und dann das Gas verbrannt wird. „Die Ankündigung ist daher nicht relevant für unser Projekt“, so ein Sprecher.

Nicht betroffen von der Ankündigung sind zehn Kraftwerke in Polen (fünf im Bau) und zwei in Griechenland (eins im Bau). Nicht betroffen sind auch viele Kraftwerke auf dem Balkan. Montenegro will eins, Serbien acht und Bosnien sogar elf Kohlekraftwerke errichten. In der Ukraine sind vier Kraftwerke in Planung. Geradezu absurd wird es in der Türkei: Dort verzeichnet Coalswarm 80 Kraftwerke in der Planungs- oder Bauphase.

Eurelectric setzt sich für eine CO2-neutrale Stromversorgung für 2050 ein

Damit stehen diese Länder im Gegensatz zu einem globalen Trend: Letztes Jahr wurde weltweit mit dem Bau von Kohlekraftwerken mit einer Kapazität von 65 Gigawatt begonnen. Das sind zwei Drittel weniger als noch im Jahr 2015.

Indien geht mittlerweile davon aus, keine zusätzlichen Kraftwerke mehr zu benötigen. In China wird die Arbeit an halbfertigen Meilern gestoppt, und in den USA kann auch US-Präsident Donald Trump den Niedergang der Kohle nicht stoppen: Derzeit ist in den USA ein einziges neues Kraftwerk im Bau, zwei weitere sind in Planung. Dafür stehen viele Kraftwerke vor der Abschaltung: Mehr als die Hälfte aller US-Kraftwerke wurde vor dem Jahr 1980 errichtet.

Mit dem Verzicht auf den Neubau von Kohlekraftwerken ab 2020 hat Eurelectric den Einstieg in den Kohleausstieg bekannt gegeben. Wann dieser kommen wird, ist aber unklar. Eurelectric gibt allerdings einen Hinweis, wann das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen wird: „Unsere Mitglieder setzen sich für eine CO2-neutrale Stromversorgung im Jahr 2050 ein.“

Fürs Klima ist das leider zu spät. Das Forschungsinstitut Climate Analytics aus Berlin hat ausgerechnet, was das Pariser Klimaabkommen für Kohlestrom in der EU bedeutet: Von den 315 Kraftwerken muss ein Viertel bis 2020, die Hälfte bis 2025 und das letzte Viertel bis 2030 vom Netz gehen.

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