Große Fernsehdebatte vor der Wahl: Speed Dating der KandidatInnen

Die elf französischen PräsidentschaftskandidatInnen diskutierten am Dienstagabend in einer schonungslosen Fernsehdebatte. Es ging hoch her.

Die elf Kandidatinnen und Kandidaten im Fernsehstudio

Alle durften in etwa gleich kurz reden: die französischen PräsidentschaftskandidatInnen Foto: dpa

PARIS taz | Zum ersten Mal haben am Dienstagabend alle PräsidentschaftskandidatInnen gleichzeitig an einer Fernsehdebatte teilgenommen. Für die beiden Nachrichtensender, die diese mehr als dreieinhalb Stunden dauernde Marathon organisiert haben, war es ein riskantes Unterfangen. Die beiden Journalistinnen, die dieses Wortgefecht leiten mussten, gaben ihr Bestes. Am Ende hatten alle ungefähr gleich viele Minuten Redezeit auf dem Zähler und wenigstens sind die Kandidaten, die in ihren Attacken den Favoriten kein Geschenk machten, nicht tätlich geworden.

Jedem und jeder stand wenig Zeit zur Verfügung, um die noch zögernden WählerInnen mit glaubwürdigen Argumenten für sich zu gewinnen. Die Versuchung war groß, eher mit einer schlagfertigen Bemerkung oder als beeindruckende Persönlichkeit aus der Schar der Bewerber herausragen zu wollen. Was von den Medien humorvoll mit einem (politischen) „Speed dating“ verglichen wurde, war mehr ein heftiger Streit, wie man ihn am Tresen eines Cafés erwarten könnte: Jeder hat seine festgefahrene Meinung und redet den anderen drein.

Für Außenseiter wie Nathalie Arthaud und Philippe Poutou von der antikapitalistischen Linken oder die „Souveränisten“ Nicolas Dupont-Aignan und François Asselineau war das eine einmalige Gelegenheit, sich einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Sie zauderten nicht, vor allem die Selbstsicherheit der drei laut Umfragen führenden Kandidaten ins Wanken zu bringen.

Einen richtig miesen Abend hat der Konservative François Fillon hinter sich. Seine liberale Sparpolitik (100 Milliarden Staatsausgaben und 500.000 Staatsangestellte weniger) wird von allen anderen abgelehnt. Er war den „Punching ball“ der meisten anderen Kandidaten, die seine ihn mit dem Hinweis auf das Ermittlungsverfahren gegen ihn und seine Gattin angriffen. Poutou eröffnete die Feindseligkeiten mit einem Frontalangriff auf Fillon: „Er spricht uns von der Staatsschuld, er selber aber bedient sich in der Kasse der öffentlichen Gelder.“ Fillon berief sich auf seine Unschuld und verbat sich solche unhöfliche Anschuldigungen.

„Wir Arbeiter genießen keine Immunität“

Gleichermaßen beschuldigte der Trotzkist Poutou Marine Le Pen zusammen mit ihrem Front National bis zum Hals in Finanzaffären zu stecken, bei den polizeilichen Vorladungen aber ihre Immunität als EU-Abgeordnete vorzuschützen. „Wir Arbeiter genießen keine Immunität, wenn wir von der Polizei vorgeladen werden. Ihre Kritik am System ist völliger Humbug“, teilte Poutou, der selber bei Ford als Arbeiter beschäftigt ist, der verdutzten Le Pen unter dem Applaus aus dem Publikum mit. Das ist am Tag danach einer der meistzitierten Sätze.

Die Rechtsextremistin hatte Mühe mit ihren üblichen Tiraden gegen die Immigration und die Muslime. In der Europa-Frage wurde sie von anderen überholt. Sie wirkte schlecht vorbereitet und gab sich Blößen, die vom Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon ausgenutzt wurden. Als sie die Politik der entsandten Arbeitnehmer aus EU-Staaten kritisierte, rief er ihr in Erinnerung, dass sie sich im EU-Parlament bei der Abstimmung darüber der Stimme enthalten habe.

Trotzkist Poutou an Le Pen

Wir Arbeiter genießen keine Immunität, wenn wir von der Polizei vorgeladen werden. Ihre Kritik am System ist völliger Humbug.

Le Pen war destabilisiert und kochte vor Wut. Als sie zur Rettung der französischen „Kultur und Identität“ forderte, es müsse in die Verfassung geschrieben werden, dass in den Rathäusern Weihnachtskrippen aufgestellt werden dürfen, konterte der Kandidat der „France insoumise“ („Widerspenstiges Frankreich“): „Das also ist ihr Verständnis von unserer Laizität? Lassen Sie uns in Frieden mit der Religion!“ Der redegewandte Mélenchon war gut in Form und meinte als Abschlusswort poetisch: „Die Zeit ist gekommen, den Geschmack am Glück wiederzufinden.“

Macron zurückhaltend

Der Linksliberale Emmanuel Macron blieb weitgehend unhörbar. Er hatte als Favorit in diesem Schlagabtausch viel zu verlieren und wenig zu gewinnen. Darum blieb er höflich und ruhig, und wenn er Vorschläge machte, übernahm er die Rolle des zukünftigen Staatschefs, der in der Ichform sagt, was er tun werde. Ihm ging es nur darum, seinen Vorsprung zu halten und keine Angriffsflächen zu bieten.

Wie üblich organisierte der Sender BFM-TV am Ende einer Umfrage unter den Zuschauern. Diese erklärten Mélenchon zum Sieger der Debatte, gefolgt von Macron, Fillon und Le Pen. Nichts besagt, dass dies auch die Reihenfolge am Wahlabend des 23. April sein wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.