Uni-Kanzler zu Orbáns Hochschulpolitik: „Die Universität als Geisel“

Die ungarische Regierung will die CEU-Uni schließen. Kanzler Liviu Matei über die möglichen Gründe, Hintergründe und Zukunftsszenarien.

Eine Menschenmenge hält nachts ihre leuchtenden Smartphones in die Luft

Smartphone-Lichtermeer gegen die Schließung der CEU-Universität Anfang April Foto: ap

taz: Herr Matei, das neue ungarische Hochschulgesetz, auch „Lex CEU“ genannt, richtet sich direkt gegen die Central European University in Budapest. Was für Folgen hätte eine Implementierung des Gesetzes?

Liviu Matei: Wenn es in Kraft tritt, wird es uns dermaßen in unserer Arbeit behindern, dass wir die Universität schließen müssen. Nicht nur die Angestellten und Studenten wären betroffen, sondern auch ihre Familien. Es handelt sich um viele Tausend Menschen. Das ist keine Kleinigkeit. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir für den Weiterbetrieb der Universität kämpfen werden, rechtlich und politisch.

Werden der Druck, den die EU aufbaut, und der Protest in den Straßen Budapests die Regierung zum Einlenken bewegen?

EU-Kommissionsvizechef Frans Timmermans hat auf die nächste Runde im Vertragsverletzungsverfahren verwiesen. Auch das US-Außenministerium hat das Gesetz kritisiert. Die ungarische Regierung ist isoliert, das kann sie zum Umschwenken bewegen. Es gibt Zeichen für einen Kurswechsel. Zwar wurde das Gesetz in Windeseile durch das Parlament gedrückt, nun aber sieht es so aus, als würde die Regierung verhandeln wollen. Der Staatssekretär für Bildung, László Palkovics, hat die Möglichkeit von Verhandlungen betont, was auch immer das konkret bedeutet. Wir sind bereit, uns mit Regierungsleuten an einen Tisch zu setzen.

Warum hat Premierminister Viktor Orbán es ausgerechnet auf die CEU abgesehen?

Kanzler und Prorektor der Central European University (CEU) in Budapest, die unmittelbar von dem neuen Hochschulgesetz betroffen ist.

Ich denke, es gibt keine rationalen Erklärungen. In jedem Fall ist das Gesetz ein Angriff auf die akademische Freiheit. Verbreitet ist jedoch folgende Theo­rie: Nach dem Wahlsieg Donald Trumps frohlockte Orbán. Er hatte darauf gesetzt, im Weißen Haus empfangen zu werden und so Unterstützung für seine harte Flüchtlingspolitik und seine ­kritische Haltung gegenüber Brüssel zu erfahren. Das ist nicht passiert. Also hat Orbán die CEU, eine US-amerikanische Universität, als Geisel genommen, um eine Verhandlungsgrundlage mit Trump zu haben.

Mehrere europäische Hochschulen, darunter auch die Freie Universität in Berlin, haben angeboten, die CEU aufzunehmen. Ist Exil für Sie eine Option?

Wir sind offen für Verhandlungen mit der Regierung. Rechtlich können wir das neue Gesetz erst anfechten, wenn es in Kraft tritt. Wir werden Gerichte in Ungarn und in anderen europäischen Ländern anrufen. Denn wir wollen weiter in Budapest arbeiten, nicht aus dem Exil.

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