Vergütungsregeln im Journalismus: Gewerkschaften kritisieren Verleger

Der Verlegerverband kündigt branchenweit gültige Vergütungsregeln für freie AutorInnen. Grund ist ein Gesetz, das Verbandsklagen ermöglicht.

Buntstifte und ein Mandala zum Ausmalen

Mit Stift und Papier: Freie JournalistInnen verdienen oft extrem wenig Geld Foto: dpa

Arm, ärmer, Autor – dieser launigen Alliteration bedienen sich freie MitarbeiterInnen in den Medien häufig, wenn sie Außenstehenden ihre Arbeitsbedingungen skizzieren. Denn die haben kaum etwas mit dem Klischee üppiger Spesenpauschalen und schöner Penthouse-Schreibstuben zu tun. Besonders hart trifft es selbständige JournalistInnen bei Tageszeitungen: Aufwand und Ertrag hängen hier bisweilen in einer regelrecht asozialen Schieflage. Diese könnte nun noch weiter kippen.

In bewundernswerter Offenheit hatte vor bald zehn Jahren die Autorin Gabriele Bärtels in der Zeit über die Folgen dieser Preispolitik berichtet: „Schreiben macht arm“, notierte sie, erzählte von ganzseitigen Reportagen mit mehreren Tagen Aufwand für 250 Euro und dass sie – wenn es ihr dann richtig schlecht ging – gar Freunde anpumpen musste, damit sie sich die damals erhobene Praxisgebühr und damit einen Arztbesuch leisten konnte.

Für viele Autoren, die „nach Zeile“ bezahlt werden, war der Januar 2010 ein Lichtblick: Damals traten branchenweit gemeinsame Vergütungsregeln in Kraft, quasi ein Mindestlohn für freie SchreiberInnen. Nun aber hat der Zeitungsverlegerverband BDZV diese Vereinbarung gekündigt.

Grund dafür ist das „Gesetz zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung“, das Anfang März in Kraft trat. Tatsächlich birgt das Gesetz für die Verlage ein großes Risiko: Es führt ein Verbandsklagerecht ein – für die Urheber, also hier die freien Journalisten, ein Gewinn.

Klagen gegen Dumpinghonorare

Dank dem Verbandsklagerecht müssen nicht mehr einzelne AutorInnen gegen teils mächtige Medienhäuser vor Gericht ziehen. Es können nun ihre Verbände gegen Dumpinghonorare klagen. Das Problem: Mit der Kündigung sind die gemeinsamen Vergütungsregeln dafür kein Maßstab mehr. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) spricht von einem „Affront gegen die Freien“, Verdi nennt den Schritt „entblößend“.

Die gemeinsamen Vergütungsregeln waren durchaus effektiv. So erstritten etwa zwei freie Journalisten vor Kölner Gerichten Honorare von insgesamt knapp 23.000 Euro – ausdrücklich mit Verweis auf die branchenweit ausgehandelten Mindestzeilensätze. Der Bundesgerichtshof bestätigte dies erst vor gut einem Jahr. In dem Rechtsstreit ging es unter anderem um gezahlte Zeilensätze von 21 Cent. Kläger und Richter fanden 56 Cent pro Zeile angemessen, orientiert an den gemeinsamen Vergütungsregeln.

„Panische Verleger“

Der Prozesserfolg löste damals bei den Gewerkschaften auch wegen einer pikanten Personalie Jubel aus: Nachzahlen musste ausgerechnet der Bonner Generalanzeiger, dessen jahrzehntelanger Verlagsgeschäftsführer einst für den BDZV die Verhandlungen über die Vergütungsregeln geführt hatte. Die Entscheidung wird Vorbildcharakter haben, doch Klagen wären sicher erfolgsversprechender, könnten KlägerInnen auf branchenweit ausgehandelte Sätze zeigen.

„Die Kündigung kurz vor Toresschluss wirkt wie eine Panikattacke der Zeitungsverleger“, sagt der DJV-Vorsitzende Frank Überall. Er arbeitet selbst als freier Journalist, wenn auch eher für den Hörfunk. Der stellvertretende Verdi-Vorsitzende Frank Werneke mutmaßt sogar, die Zeitungsverleger wollten die Bedingungen für ihre freien MitarbeiterInnen „offensichtlich noch weiter verschlechtern“.

Der Schritt sei „zwingend geboten“ gewesen, heißt es vonseiten des BDZV. Der Verband sei aber zu Gesprächen mit den Gewerkschaften bereit, um zu klären, „wie künftig gemeinsame Vergütungsregeln unter Berücksichtigung der neuen Gesetzessystematik [. . .] aussehen können“. Mit einer schnellen Einigung ist indes nicht zu rechnen: Die Verhandlungen für die nun gekündigten Vergütungsregeln hatten sieben Jahre gedauert.

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