Unterkunft soll geschlossen werden: Parkplätze statt Geflüchteter

Obwohl es in ganz Hamburg an Folgeunterkünften mangelt, will der Senat eine davon in Niendorf schließen. Dahinter steht wohl wirtschaftliches Interesse

Sollen verschwinden: Wohncontainer der Folgeunterkunft in der Paul-Sorge-Straße in Niendorf Foto: Henning Scholz

Es geht auch andersrum: In Niendorf will der Senat eine Geflüchtetenunterkunft schließen, aber die AnwohnerInnen setzen sich dafür ein, dass sie bleibt. Auch bei Bezirkspolitikern herrscht Unverständnis über die geplante Schließung der Folgeunterkunft in der Paul-Sorge-Straße zum 30. April. Die Vorsitzende der Eimsbüttler Linksfraktion, Zaklin Nastic, bezeichnete die Entscheidung als „widersinnig“ und „falsche Prioritätensetzung“.

Obwohl die Zahl der neu in Hamburg Ankommenden zurückgeht, herrscht an Folgeunterkünften nach wie vor ein großer Mangel. Derzeit wohnen 5.597 Geflüchtete länger als die maximal vorgesehenen sechs Monate in einer Erstaufnahme. Von ihnen leben 676 in besonders prekären Unterkünften wie leerstehenden Industriehallen, Baumärkten oder Turnhallen. Ganz in der Nähe der Paul-Sorge-Straße schlafen noch immer 206 Menschen im ehemaligen Elektronikhandel Medimax direkt an der Autobahn.

Nastic fragt nun: „Warum sollen die Menschen aus guten Folgeunterkünften ausziehen, wenn sie vorschriftswidrig in Erstaufnahmen wie dem Medimax Kieler Straße in einer Halle hausen müssen?“ In der Paul-Sorge-Straße seien die Bedingungen wesentlich besser.

90 Menschen wohnen dort in Containerwohnungen mit Kochnische und Schlafzimmern, die BewohnerInnen seien gut in den Stadtteil integriert, erklärte Nastic. Ähnlich wie die Bezirkspolitikerin beschreiben es auch die AnwohnerInnen, die eine Petition zum Erhalt der Einrichtung auf dem Portal change.org gestartet haben.

Warum also sollte der Zentrale Koordinierungsstab Flüchtlinge, der für die Unterbringung zuständig ist, die Container unbedingt abbauen wollen? Eine eindeutige Antwort hat dessen Sprecherin Kerstin Graupner darauf nicht. Es gebe Verträge, an die man sich halten müsse, sagte sie. Und: „Es war von Anfang an eine temporäre Lösung.“

Die Unterkunft in der Paul-Sorge-Straße wurde im Sommer 2015 im Schnellverfahren nach dem Polizeirecht auf einem Park-and-Ride-Parkplatz geschaffen. Für die Ausnahmeregelung fehle mittlerweile aber aufgrund der gesunkenen Zahlen an Neuankömmlingen die Grundlage.

Etwas mehr Klarheit bekommt man, wenn man den Blick vom Park-and-Ride-Parkplatz zur gegenüberliegenden Straßenseite wendet: Dort befindet sich das Tibarg-Center, eine Shoppingmall mit einer Gesamtfläche von 15.000 Quadratmetern und diversen Einzelhandelsläden auf drei Stockwerken. Zwar bestehen zwei weitere Ebenen aus Parkflächen. Die zusätzliche Parkfläche auf dem bisherigen Park-and-Ride-Platz gegenüber fehlt den KundInnen nun aber.

Der Sprecher des Bezirksamts Eimsbüttel Andreas Aholt bestritt einen direkten Zusammenhang, räumte aber ein, dass ein Interessenkonflikt bestehe. Es handele sich schließlich nicht um eine Brachfläche, sondern um einen intensiv genutzten Parkplatz, dessen Kapazität derzeit fehle. Als Kompromiss werde der Bezirk „im Sinne einer sozial verträglichen Lösung nicht dogmatisch am 30. April als fixem Auszugstermin für jede Einzelperson festhalten“, sagte Aholt. Schulkinder könnten dann wenigstens noch das Schuljahr am jetzigen Standort beenden.

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