Expertin über alkoholfreie Getränke: „Tschüss, Apfelschorle“

Genuss ohne Alkohol? Das geht, sagt Getränkeexpertin Nicole Klauß. Mehr und mehr Lokale werden dabei sehr erfinderisch.

Plakat mit alten Apfelsorten

Sortenreine Säfte sind nur eine Möglichkeit, sagt Klauß. Kennen Sie Wasserkefir? Foto: dpa

taz.am wochenende: Frau Klauß, wie kommt man auf die Idee, dass es zum Essen nicht immer nur alkoholische Getränke sein müssen?

Nicole Klauß: Ganz einfach: Es gibt Menschen, die wollen auch was anderes. Ich habe eine Weinausbildung hinter mir und da sagten die weiteren Teilnehmer: Wie, was anderes? Solche Gäste bekommen dann Wasser – oder eine Apfelschorle. Die wurde mir auch schon angeboten, sogar im Sternerestaurant.

Sie wollten keinen Wein trinken?

Ich bin Halbjapanerin und vertrage Alkohol, wie viele Asiaten, nicht so gut. Damals war ich auch noch schwanger. Ich kam mir in dieser Zeit im Restaurant manchmal wie gemobbt vor. Und es gibt ja auch noch andere Gründe, warum man beim Essen nüchtern bleiben will. Geschäftsleute, die sich nachmittags nach dem Lunch noch an den Schreibtisch setzen wollen, Kinder, Ältere, manche haben auch religiöse Gründe.

47, Kunsthistorikerin und Romanistin, berät heute Gastronomen, ist Autorin und Bloggerin. Im März erscheint ihr Buch „Die neue Trinkkultur“ im Westend-Verlag. Mehr von ihr zur Speisenbegleitung ohne Alkohol gibt es hier.

Also Muslime.

In Dubai hat Tim Raue gerade das „Dragon Fly“ aufgemacht. Dort werden nur alkoholfreie Getränke serviert, auf Saftbasis. Die nennen sich „Jine“, eine Wortschöpfung aus „Juice“ und „Vine“. Der Begriff ist sogar patentiert worden.

Aber die Alternative zu Wein heißt nicht nur Saft?

Bei weitem nicht. Wasser, Brühen, Tee, fermentierte Getränke wie Wasserkefir oder Kombucha: Alles ist möglich.

Ich habe in Deutschland noch nicht oft eine Getränkebegleitung ohne Alkohol auf der Speisekarte gefunden.

Aber es wird mehr. Und vor allem die Sternegastronomie probiert sich daran aus. Denn auch die normale Weinbegleitung ist vielen Leuten zu viel. Da hat man nach acht Gängen oder mehr eine Flasche Wein intus. Deswegen wird auch viel gemischt angeboten. Das Restaurant Horvath ist da ein Pionier gewesen. Aber auch das Einsunternull bietet das an.

Murali Perumal lebt als Schauspieler in München. Wenn er spielt, dann meistens Täter. Er sagt, dass es Racial Profiling sogar im Theater gibt. Warum er keine Lust hat, immer den „Inder vom Dienst zu geben“, lesen Sie in der taz.am Wochenende vom 28./29. Januar. Außerdem: Eine Sachkunde, die Licht ins Dunkel multipler ÖPNV-Systeme bringt, ein Plädoyer für eine Getränkebegleitung jenseits von Rot- und Weißwein und eine Reise auf den Spuren des Buddhismus in Indien. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Beide sind Berliner Sterne­restaurants.

Man kann sich zum Hauptgang einen Wein bringen lassen und sonst auch beschwingt mischen, wie man möchte. Die nichtalkoholischen Getränke sind auf die jeweiligen Gänge abgestimmt.

Tschüs, Apfelschorle.

In Restaurants auf solchem Niveau zahlt man mindestens hundert Euro, und da möchte ich nicht nur die Geschichte vom Winzer, den Namen seiner Frau, von den Reben und der Erde unter ihnen erzählt bekommen. Ich finde, der Gast hat ein Recht auf eine vernünftige Begleitung ohne Alkohol. Es geht doch am Ende darum, ihn glücklich zu machen. Wenn man von der Apfelschorle weggeht, ist das eine erwachsene Begleitung.

Gibt es Länder, in denen das, was Sie neue Trinkkultur nennen, schon weiter ist?

In Amerika, Australien, auch in Großbritannien. Aber bitte, verstehen Sie mich nicht falsch. Es geht hier nicht um Verzicht oder Gesundheit. Ich trinke gern Wein. Aber nicht immer. Und auch dann soll der Genuss nicht zu kurz kommen.

Was heißt, die Getränke sind auf die jeweiligen Gänge abgestimmt?

Sie sind so kreiert, dass das Aroma mit dem Essen korrespondiert. Simples Beispiel: Kommt in einem Gericht Koriander vor, püriert man Koriander und mischt ihn in den Apfelsaft. Wegen der Ähnlichkeit passt das dann. Aber wir haben beim Food-Pairing in den letzten Jahrzehnten noch eine ganze Menge mehr gelernt.

Das ist fast eine eigene Wissenschaft.

Ja, das geht bis ins Labor, um die Zutaten in ihre Aromabestandteile zu zerlegen. Und dann sucht man Übereinstimmungen. Das ist nicht so platt wie in dem Beispiel mit dem Koriander. Pfeffer enthält neben Piperin, der ihn scharf macht, auch ein ätherisches Öl mit einer Substanz, die Limonen heißt. Und Limonen findet sich auch als Aromaträger in Zitrusfrüchten.

Das erklärt, warum es in den USA schon sehr lange Zitronenpfeffer zum Grillen gibt.

Pfeffer und Zitrone sind einfach ein gutes Paar, sie machen mit dem Fleisch was Tolles. Und etwas Zitrisches ist dann auch ein gutes Getränk, wenn ein Gericht viel Pfeffer enthält.

Kommen wir noch einmal zurück zum Saft.

Auch der hat seinen Platz. Es gibt inzwischen auch Saftsommeliers. Anfangs wurde versucht, Weine mit Säften nachzubauen, etwa aus Trauben- und Birnensaft ein Chardonnay-ähnliches Getränk zu kreieren. Das Problem ist: Obstsäfte sind sehr süß und oft sättigend, manchmal wie ein Nachtisch. Man steht also vor der Aufgabe, Säfte zu entsüßen. Da kommt dann entsaftetes Gemüse ins Spiel … Aber kennen Sie Wasserkefir noch nicht?

Nein.

Wasserkefir folgt dem gleichen Prinzip wie Kombucha. Für Kombucha liegt ein Wabbelpilz in einer Zuckerlösung und verwandelt den Zucker in Alkohol. Je länger man ihn drin lässt, desto trockener wird das Getränk – und auch saurer. Bei Wasserkefir verwendet man sogenannte Kefirkristalle für die Fermentation. Es entstehen dabei Essigsäuren und auch ein geringer Anteil an Alkohol, höchstens zwei Prozent. Anschließend kommt die Flaschengärung, dabei entwickelt das Getränk Kohlensäure. Und man kann nun genau steuern, wo der Geschmack hingeht. Man kann Saft dazugeben oder Sirup.

Klingt jetzt doch nach Limo.

Ja, aber nicht so süß, mit einer feinen Säure und leicht moussierend. Köche finden das super, sie können das Getränk nun in minimalen Abstufungen auf das Gericht abstimmen.

Wie fange ich zu Hause an, wenn ich nicht gleich blubbernde Kefirflaschen in der Küche stehen haben will.

Ich bin begeistert von Teebegleitung, denn es gibt da unheimlich viele Sorten. Ich bin ein großer Fan von Käse mit Tee. Probieren Sie mal Jasmintee mit Brie oder grünen Tee mit Manchego: Das ist super. Der warme Tee geht ganz toll mit dem Käse um. Er löst das Fett und die Aromen besser als ein kalter Weißwein. Lieblicher Birnensaft zu einem kräftigen Roquefort finde ich auch ein sehr gute Kombination.

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