Diskriminierungserfahrungen: Schwarzweißland

Ob in der U-Bahn oder am Flughafen: Nicht-weiße Personen werden anders behandelt. Fünf Betroffene berichten von Alltagsrassismus und Racial Profiling.

Streifen eines Zebras

Alles ganz schwarz-weiß? Das sollte eigentlich nur beim Zebra so sein Foto: imago/blickwinkel

„Die haben keine Züge in Afrika“

Zu versuchen aufzuhören, sich selbst kleiner zu machen, ist, als würde man aus einem Winterschlaf erwachen. Die ständige Beobachtung, die verdächtigen Blicke, lassen einen wünschen, man wäre unsichtbar.

Racial Profiling ist mir so oft widerfahren in den acht Jahren, die ich nun in Berlin lebe, dass ich aufgehört habe zu zählen. Die Erfahrungen, die mir aber im Gedächtnis bleiben, abgesehen von den gewalttätigen, sind jene, bei denen ich tatsächlich einen Moment lang vergesse, dass ich eine ganz normale Bürgerin dieser Stadt bin.

Im McPaper geht man mir hinterher, fragt ständig: „Was suchst du?“ Da sind Männer, die sich aus ihrem Fenster lehnen und fragen: „Wie viel?“, wenn ich die Straße entlanggehe.

Jessica Lauren Elizabeth ­Taylor, 32, Künstlerin und Veranstalterin der Diskussionsreihe „Black in Berlin“, kommt aus Florida.

In einem schicken Kaufhaus in München wird mir gesagt, dass ich für die Dinge, die ich in meinen Händen halte, bezahlen muss, bevor ich gehe. (Ich hatte nur erwartet, keine Parfumproben zu kriegen, denn ich habe noch niemals Parfumproben angeboten bekommen.)

Es sprechen mich Fremde in der U-Bahn an, die erst fragen, dann vor sich hin raten, aus welchem afrikanischen Land ich kommen könnte. Ich habe BVG-Mitarbeiter sagen hören: „Die haben keine Züge in Afrika“, wenn sie mich kontrollieren, während die Leute rundherum anfangen zu kichern oder sich wegdrehen, weil sie denken, dass ich sie nicht verstehe.

Ich lerne, meinen Rücken zu versteifen. Ich lerne, meinen Blick abzuwenden. Ich lerne, dass es vielleicht besser ist, unsichtbar zu sein, als herausgegriffen zu werden.

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Da zieht ein Polizist die Pistole und richtet sie auf dich

„Aber ich wurde auch schon mal kontrolliert!“ Wer diesen Satz in der aktuellen Diskussion für ein valides Argument hält, hat das Problem von Racial Profiling nicht begriffen.

Wenn du schwarz bist, dann wirst du nicht nur mal überprüft, sondern: andauernd. Gern auch: mehrfach. Immer: nur du. Denn Polizisten und andere Sicherheitsbeamte kontrollieren dann, wenn für sie etwas nicht zusammenpasst. Das Problem: Für viele Weiße passen schwarze Menschen und Deutschland nicht zusammen.

Ali Schwarzer, 34, bloggt auf trollbar.de. Geboren in Leipzig, lebt in Mannheim.

Woher ich das weiß? Weil ihr bis heute nachhakt, woher ich wirklich komme, wenn ich Leipzig als Heimat nenne. Euch kann ich frech antworten: „Aus meiner Mutter!“ Der Polizei nicht.

Dass ich im Kontakt mit der Staatsmacht keinen Fehler mache, davon hängt nämlich meine Gesundheit oder gar mein Leben ab. Zum Beispiel in Bayern, wenn Polizisten in Zivil auf der Autobahn eine Kontrolle mit vorgehaltener Waffe beginnen.

Ich rede nicht davon, dass sie die Hand zur Eigensicherung an der Waffe halten, wie ihr Weißen das vielleicht aus dem „Tatort“ kennt. Ich meine: Da zieht ein Polizist die Pistole und richtet sie auf dich.

Danach hörst du nicht etwa eine Entschuldigung, sondern die Beamten scheißen weiter auf deine Rechte, indem sie dich und das Auto gründlich durchsuchen. Dagegen protestieren würdest du nicht. Du hast ja gerade erst überlebt.

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„Ich bin die BVG. Willkommen in Deutschland“

„Sie können mich nach meinem Ticket fragen, aber Sie können es mir nicht so aus der Hand reißen“, sagte ich zu dem BVG-Kontrolleur.

Seit Jahren offenbart sich mir dieses kolonialistische Bild, es ist, als wären diese U-Bahn-Stationen Plantagen und die Ticketkontrolleure Aufseher, die mir, wenn sie wollen, das Ticket aus der Hand reißen können, um sicherzustellen, dass ich auch die Erlaubnis meines „Masters“ habe, mich fortzubewegen.

Isaiah Lopaz, 37, lebt in Berlin und ist Autor. Geboren wurde er in Los Angeles.

Der Mann war nicht darauf gefasst, dass ich mich wehren würde, dass ich Englisch mit US-amerikanischem Akzent sprechen würde. Geschockt, wütend, vielleicht auch bloßgestellt, sagte er zu mir: „Ich bin die BVG, willkommen in Deutschland.“ Er sagte, er würde die Polizei rufen, die würden mir dann „die Regeln“ erklären, und dass ich aussteigen müsste.

Sein Kollege sagte ihm zwischendurch auch, dass er mein gültiges Ticket bereits kontrolliert hatte. Das war das sechste Mal im Jahr 2016, dass mir ein Kontrolleur derart begegnet ist.

Wie Politiker und Behörden nun das Racial Profiling vom Silvesterabend in Köln kommentieren, das offenbart eine Regierung, die etwas übrig hat für Rassismus – und das ist in keinster Weise überraschend für nichtweiße Personen, die hier leben.

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Wir haben es satt

Das Racial Profiling, das in Köln stattfand, ist mir nicht neu, sondern ich empfinde es schon als sehr ermüdend. Stellen Sie sich vor, Sie müssten ständig über Ihre Schulter blicken, weil da ein Fadenkreuz auf Ihrem Rücken ist. Sich ständig für etwas rechtfertigen, obwohl Sie nichts getan haben.

Cassianne Lawrence, 26, ist Mutter, Autorin und arbeitet in einem Callcenter, sie lebt in Berlin und wurde in Kingston, Jamaica, geboren.

Wir sind friedliche Menschen, selbst wenn man uns Furchtbares angetan hat. Es ist die Darstellung der Medien und der Gesellschaft, die uns glauben lässt, der schwarze Mann sei gefährlich.

Es sind die Worte derer, die uns vor ein paar Jahrhunderten aus unserem Land gerissen und uns versklavt haben. Das führte schließlich zu einem revolutionären Ausbruch, der dazu diente, sich zu schützen, sich zu verteidigen und zu sagen: Wir haben es satt!

Dieses Racial Profiling muss aufhören, wir müssen Gerechtigkeit einfordern, wenn wir unsere Menschlichkeit bewahren wollen.

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„Aber wo kommst du denn wirklich her?“

Ich bin Mitte der 80er in Kassel geboren. Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater kam für sein Studium aus Kamerun nach Deutschland.

Dominik Djialeu, 30, lebt in Berlin.

Auch wenn ich es erst später richtig begreifen konnte, wurde mir von meinem Umfeld schon sehr früh gespiegelt, dass ich anders, besonders, scheinbar fremd bin. Die Frage „Aber wo kommst du denn wirklich her?“ ist bis heute so gut wie Standard.

So wie ich schon immer von einigen bevorzugt wurde, hatte ich an anderer Stelle überhaupt keine Chance. Ich erinnere mich noch gut an einen Lehrer in der 5. Klasse, der mich fragte, als ich mir die Haare abrasiert hatte, ob ich denn glauben würde, mit meiner neuen Frisur ein besserer Deutscher zu sein.

Auch auf Ämtern habe ich oft die Erfahrung gemacht, dass ich erst angemessen behandelt wurde, wenn die Beamten merkten, dass ich fließend deutsch spreche.

Wenn ich an Köln und die Kontrollen in der Silvesternacht denke, war das ein Paradebeispiel dafür, was 365 Tage im Jahr im öffentlichen Raum passiert. Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich aus Menschenmengen herausgezogen wurde und mich einer „Routinekontrolle“ unterziehen musste.

Auf deutschen Flughäfen werde ich regelmäßig nach Herkunft, Vorhaben und Beruf befragt. Zuletzt wurde ich am Flughafen München sogar auf Drogen kontrolliert – ohne konkreten Anlass.

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