Serienkolumne „Die Couchreporter“: Hochadel und Großbürgerliche

Eigentlich kann ich mit Britishness nicht viel anfangen. Aber die Serie „The Crown“ kommt in wunderschönem Upper-Class-Englisch daher.

Die Queen und ihr Mann Philip, sie im weißen Nerz, auf dem Weg zu einem Empfang. Am Rand stehen Menschen und klatschen

Die Queen (Claire Foy) und ihr Mann Philip Mountbatten (Matt Smith) Foto: Netflix

Als es anstand, zusammen mit der Liebsten „The Crown“ zu gucken, blieb ich lange sehr obstinat. Aber da das Zusammen-Serien-Gucken die neue quality time der Zweierbeziehung ist, legte ich dann doch mein Buch beiseite and here we went – wie der Engländer sehr wahrscheinlich nicht sagt: Denn ich muss zugeben, dass mich mit der ganzen Britishness nur die bezauberndste Frau der Welt hinterm Ofen hervorlocken kann.

Sicher, es gibt diese großartigen Pyramidenteebeutel von PG Tips, es gibt Evelyn Waugh und den nach seinem Buch „Wiedersehen mit Brideshead“ gedrehten schönsten TV-Mehrteiler ever. Aber sonst?

Ah, doch – die Sprache! Da sind wir mit „The Crown“ bei etwas, das man nur loben kann: das wunderschöne, durch Untertitel erschlossene Upper-Class-Englisch, das hier alle sprechen, Elizabeth natürlich vorneweg. Großartig, wie die Queen manche Konsonanten völlig verschluckt, die „Rs“ aber rollt, beeindruckend wie ihr Premierminister Winston Churchill in „Blood, sweat and tears“-Manier schnauft, grantelt und ramentert.

In „The Crown“ geht es, von Rückblicken durchwirkt, um die Jugendjahre der Thronfolgerin und Königin Elizabeth II., also etwa um die Jahre 1935 bis 1955. Die Geschichte wird straight Top-down erzählt, das heißt, Menschen mit einem auch nur durchschnittlichen Jahresgehalt kommen ausschließlich als dem hochadlig und großbürgerlichen Ambiente zuarbeitende Statisten vor. Da ich klare Klassenstandpunkte mag, habe ich nichts dagegen.

Umgekehrte Perspektive

Um nun auf das zu Beginn dieses Textes erwähnte Buch zurückzukommen: Auf meinem Nachttisch, von dem ich zu „The Crown“ weggezogen wurde, lag und liegt noch immer das dreibändige Werk des britischen Marxisten Chris Harman „A people’s History of the World“, auf Deutsch 2016 im Laika-Verlag erschienen. Der Autor nimmt die umgekehrte Perspektive von „The Crown“ ein.

Churchill etwa ist für Harman weniger ein großer Staatsmann als ein begeisterter Teilnehmer der Schlacht von Omdurman 1898, einem kolonialen Gemetzel im Sudan, bei dem die mit automatischen Waffen ausgestattete britische Armee keine 50 Toten, die Gegenseite der aufständischen „Mahdisten“ hingegen an die 10.000 Gefallene zu beklagen hatte.

Und wenn Elizabeth in „The Crown“ 1952 zu Besuch in der damaligen britischen Kolonie Kenia weilt, dann ist der einzige Unruheherd ein wild gewordener Elefant: Die Serie erlaubt sich auch nicht den leisesten Hinweis darauf, dass in Kenia schon längst der Untergrundkampf zur Befreiung des Landes von britischer Herrschaft ausgebrochenen war.

Ich bin, wie gesagt, das Gegenteil eines Spezialisten in britischen Dingen: Aber ich denke schon, dass man die verlogenen Bilder von Glanz und Herrlichkeit des britischen Empires, die in zahlreichen und zumeist sehr viel schlechteren Filmen als „The Crown“ verbreitet werden, nicht unterschätzen darf, wenn man den Brexit verstehen will.

Um nicht missverstanden zu werden: lieber die glänzende erzählte Ehegeschichte von Elizabeth und ihrem Mann Philip, lieber das Drama um Prinzessin Margaret und ihren Geliebten Peter Townsend als Sozial-Kitsch: Besser müssen wir es schon erst mal machen.

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Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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