Kommentar Religionsfreiheit in Bayern: Let’s dance!

Das Tanzverbot am Karfreitag ist passé. Es geht um die Privilegien einer Religion, der selbst in Bayern die Anhänger schwinden.

Im Saal einer Tanzschule tanzen mehrere Paare Standardtanz

Üben schon mal für den nächsten Karfreitag: Paare in einer Tanzschule Foto: dpa

In Bayern sind an sogenannten stillen Tagen öffentliche Veranstaltungen streng verboten, durch die deren ernster Charakter gefährdet wird – wenn also etwa getanzt wird. Von diesen Tagen gibt es nur etwa zehn im Jahr – da könne man sich aus Respekt vor religiösen Gefühlen doch ein bisschen zusammenreißen, finden manche. Doch die Achtung religiöser Gefühle wird nicht dadurch garantiert, dass einer offenen Gesellschaft religiöse Riten und Gebräuche aufoktroyiert werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat das bestehende Gesetz in Bayern – das zu diesem Tanzverbot führte – jetzt tatsächlich als verfassungswidrig eingestuft. Zwar darf der Karfreitag, um den es insbesondere ging, weiterhin als „stiller Tag“ besonders geschützt werden; jede Ausnahmeregelung auszuschließen, sei aber unverhältnismäßig, so das Gericht. Mit anderen Worten: Es darf getanzt werden! Jedenfalls bis zum Beweis des Gegenteils.

Nun gehen erste Christen bereits auf die Barrikaden und scheuen nicht vor Vergleichen mit den Mohammedkarikaturen zurück: Wer den Feiertagsschutz nicht achte, der gefährde das friedliche Zusammenleben der Religionen.

Die schrillen Töne deuten darauf hin: Es geht um Privilegien, um Einfluss im öffentlichen Raum und den Hegemonialanspruch einer Religion, der selbst im frommen Bayern die Anhänger schwinden. Bei der letzten Erhebung 2011 waren nur noch knapp 50 Prozent römisch-katholisch, die Protestanten lagen bei gut 20 Prozent – Tendenz fallend.

Nun ist das viel beschworene christliche Abendland trotz aller Beschwörungen im deutschen Alltag so präsent wie keine andere Kultur – von der Adventsdeko bis zur Kirchensteuer, von den Feiertagen bis zum bisherigen Tanzverbot. Höchste Zeit, dass mehr Gleichberechtigung zwischen den Konfessionen – und den Nichtgläubigen! – hergestellt wird. Toleranz bedeutet nämlich auch, die Tanzlust des anderen zu achten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Anna Klöpper das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Lateinamerika, Gesellschaft, Aktuelles. An der DJS gelernt.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.