Versorgung von Flüchtlingen: Handeln statt abwarten

Nach neuer Panne beim Flüchtlingsamt suchen die künftigen Regierungsparteien Grüne und Linke nach Wegen, Flüchtlinge aus den Turnhallen zu holen.

Auch diese Notunterkunft ist zur Dauereinrichtung geworden: Flüchtlinge in Karlshorst Foto: dpa

Der neue Senat steht noch nicht und hat schon die erste Krise an der Backe. In den nächsten Wochen werden 13 neue Containerdörfer fertig – aber die Flüchtlinge, die teils nur wenige Straßen weiter in Turnhallen darben, werden dort nicht einziehen dürfen. Und dies nur, weil das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) bei den Ausschreibungen für den Betrieb der Containerdörfer Fehler gemacht hat. So weit darf es nicht kommen, sagt die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Canan Bayram: „Wir müssen jetzt ungewöhnliche Wege gehen.“

Rechtlich sieht die Juristin zwei Möglichkeiten: Entweder das Land betreibe die Containerdörfer übergangsweise selber oder es vergibt sie an Träger aus der Liga der Wohlfahrtsverbände, mit denen man im Rahmen der Kältehilfe ohnehin Verträge habe. „Dies ist eine Notsituation, es geht um Gefahrenabwehr, schließlich ist Winter. Der Staat muss handlungsfähig sein“, so Bayram.

Das betont auch Elke Breitenbach – derzeit noch sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion, aber vom Landesvorstand ihrer Partei als künftige Sozial- und Integrationssenatorin nominiert. „Wo ein politischer Wille ist, ist auch ein Weg“, sagt sie. Bayrams Vorschlag, das Land solle selbst als Betreiber auftreten, nennt sie eine „Superidee“. Die Frage sei nur, ob es dafür genug Personal gebe.

Vorigen Freitag hatte das LAF bekannt gegeben, dass in diesem Jahr keine Flüchtlinge mehr aus Turnhallen ausziehen können. Grund sind Fehler bei der europaweiten Ausschreibung für den Betrieb der Tempohomes genannten Containerdörfer, in die die Menschen umziehen sollen. Alle Verfahren sind von unterlegenen Bietern erfolgreich bei der Vergabekammer angefochten worden.

Juristisches Fiasko

Nun sollen für 14 Objekte – 13 Tempohomes und ein fertiges Heim in Spandau – „Interimsvergaben zum vorübergehenden Betrieb durchgeführt“ werden, erklärt die Sprecherin von Noch-Sozialsenator Mario Czaja (CDU). Es werde allerdings mindestens zehn Wochen dauern, diese Verfahren „rechtssicher abzuschließen“. Vor Ende Januar – bei „optimalem Verlauf“ – passiert also nichts, geht es nach den Noch-Zuständigen.

Betroffen vom erneuten juristischen Fiasko aus dem Hause Czaja sind rund 3.300 Menschen in 38 Sportstätten, in denen sie zum Teil seit mehr als einem Jahr auf engstem Raum ohne Privatsphäre wohnen. Eigentlich sollten alle bereits im Sommer ausgezogen sein, doch der Bau von Ersatzunterkünften verzögert sich an fast jedem Standort.

Und so mehren sich Berichte darüber, dass die Menschen mangels Perspektiven zunehmend unter psychischen Problemen leiden. Heimbetreiber, Helfer und Flüchtlinge selbst berichten von Depressionen bis hin zur Suizidgefährdung, von Aggressionen oder Drogenkonsum.

Hilferuf von Bewohnern

So hatten sich kürzlich erst die BewohnerInnen der Turnhalle Malmöer Straße in Pankow mit einem Hilferuf ans LAF gewandt. Bei einem Gespräch mit dessen Sprecher hatte dieser den Flüchtlingen zugesagt, alle HallenbewohnerInnen könnten Mitte Januar in das dann fertige Containerdorf Siverstorpstraße umziehen. Dass daraus nun nichts wird, werde man den Betroffenen „zeitnah“ erklären, so Czajas Sprecherin.

Einen anderen Weg als die Flüchtlinge bis mindestens Ende Januar zu vertrösten sieht man in der Sozialbehörde offenbar nicht. Bayrams Vorschlag, die Heime in Eigenregie zu betreiben, sei allenfalls eine mittel- bis langfristige Lösung, da das nötige Personal in Landesbetrieben erst eingestellt werden müsste.

Bayram hat auch dafür eine Idee: Warum sollten Land oder Bezirke nicht das Personal aus den Turnhallen für die Containerdörfer übernehmen? „Wir müssen jetzt sehen, dass wir schnell ein Ergebnis haben.“

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