Kommentar Bundespräsidentenwahl: Der Weiter-so-Kandidat

Union und SPD haben sich geeinigt: Frank-Walter Steinmeier wird Bundespräsident. Er steht für ein hermetisches politisches System.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier steht an einem Rednerpult im Deutschen Bundestag

Außenminister Frank-Walter Steinmeier steht wie kein Zweiter für den Typus des Berufspolitikers Foto: dpa

Frank-Walter Steinmeier ist ein kluger, ruhiger Mann, der zuhören kann. Er ist nicht eitel. Und er ist undogmatisch. Das macht ihn zu einem tragfähigen Konsenskandidaten für das Amt des Bundespräsidenten. Denn dorthin, wo er heute ist, hätte er auch auf anderem Wege gelangen können – etwa mit einem CDU-Parteibuch.

Man könnte also sagen: Steinmeier, der dienende Beamte, der geduldige Aufwärtsfahrer, stets maßvoll im Ton, ist genau der Richtige, um einer Welt, die so bedrückend aus den Fugen zu geraten scheint, beruhigende Antworten zu geben. Niemand steht mehr für Stabilität als dieser demokratische Funktionär.

Er wird sicher nichts kaputt machen. Oder vielleicht doch?

Gerade weil seine Person so sehr mit Kontinuität verbunden wird, ist Steinmeier nicht der Richtige für dieses Amt. In einer Zeit, in der sich alle Anstrengungen darauf richten müssen, die soziale Spaltung der Gesellschaft und den aufkommenden Autoritarismus auch in Deutschland zu bekämpfen, signalisiert seine Person: weiter so! Wer jedoch vermittelt, alles müsse nur so laufen wie bisher, bietet Populisten Angriffsfläche.

Der nächste Präsident muss die soziale Frage zu einem Kernanliegen machen

Während sich große Teile der Gesellschaft von der politischen Klasse nicht mehr repräsentiert fühlen, soll nun also ausgerechnet einer Präsident werden, der wie kein Zweiter für den Typus des Berufspolitikers steht. Soll er künftig der Bundesregierung mahnende Worte aus der Distanz zurufen? Kann er das Volk glaubhaft repräsentieren?

Ein künftiger Präsident oder eine Präsidentin wird außerdem, wenn er oder sie bedeutsam sein will, die soziale Frage zu einem Kernanliegen machen müssen. Wie die Frage von Ausgrenzung und Teilhabe in Deutschland beantwortet wird, wird bestimmen, ob es gelingt, die Entwicklung zu einer immer stärkeren Polarisierung, zu Fremdenfeindlichkeit und Gewalt aufzuhalten. Was kann Steinmeier, Architekt der Agenda 2010, dazu beitragen?

Viele diskutieren nun machtarithmetische Fragen wie: Hat Gabriel sich durchgesetzt? Hat Merkel verloren? Ist Steinmeier ein Zeichen für Schwarz-Rot? Das ist nicht Politik, sondern deren Simulation. Steinmeiers Erfolg ist allein ein Zeichen dafür, dass die politische Klasse in Berlin nicht das Zutrauen hat, eine Person zu benennen, die für mehr steht als ein hermetisches politisches System.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.