Schwerpunkt Rechtspopulismus: Sie sind da – und jetzt?

Die AfD ist in den Parlamenten angekommen, Wegwünschen hilft nicht. Doch wie geht es weiter? Soll man die neuen Rechten isolieren?Mit ihnen streiten?

Vor der Wahl: Funktionäre und Anhänger der AfD in Schwerin Foto: Axel Heimken/dpa

Der Rechtspopulismus ist unter uns, und er ist nicht über Nacht gekommen. Und, schlimmer noch: er wird über Nacht nicht wieder verschwinden. Ihn zu ignorieren, wird nichts besser machen, ihn abzuqualifizieren, wird auch nichts helfen. Erforderlich ist ein souveräner Umgang mit Rechtspopulisten, ohne ihnen auf den Leim zu gehen. Es geht um Demaskierung.

Wer Rechtspopulisten wie die AfD und ihre WählerInnen als Menschen begreift, denen die moderne Welt schlicht zu kompliziert geworden ist, denkt zu kurz. Zwar sind Populisten, auch linke, stets große Vereinfacher, die simple und allersimpelste Antworten auf komplexe Fragen geben. Im Kern aber fühlen sie sich hilflos gegenüber scheinbar kaum noch zu begreifenden und zu beschreibenden abstrakten Mächten. Das kann die Globalisierung sein, das Fremdartige oder die „Altparteien“, gern auch alles zusammen, und es ist zumeist garniert mit einer kruden Mischung aus Ängsten und Erlösungssehnsucht.

Letztlich erwächst das aus vermeintlichen Sachzwängen, aus behaupteter Alternativlosigkeit, aus der „Basta“-Mentalität, mit denen fortschritts- und technikgäubige PolitikerInnen ihre Sichtweisen ohne lästige Debatten durchzudrücken suchen. Während Technokraten hochnäsig erklären, es gebe eben nur eine vernünftige Lösung, geriert der Populist sich als Inkarnation des wahren Volkswillens. Im Grunde sind beide Antipluralisten, denen der demokratische Diskurs ein Graus ist. Zusammen sind sie die Mühlsteine, die die Demokratie zerreiben.

Wer sich dagegen wehren will, muss den beschwerlichen Weg der Aufklärung gehen statt den billigen der Dämonisierung. WählerInnen rechtspopulistischer Parteien als vorurteilsbeladene Kretins zu schmähen, beschreibt den Irrweg, dass es sich nicht lohne, sich mit ihren Positionen überhaupt zu beschäftigen. Eben diese ausgrenzende und abwertende Haltung befördert genau jenes – von den Populisten meist nur behauptete, von ihrer Gefolgschaft aber vermutlich in der überwiegenden Mehrzahl so empfundene – diffuse Gefühl des Ausgegrenztwerdens, des Unterdrücktwerdens, der Hilflosigkeit gegenüber „denen da oben“, das es zu bekämpfen, zu entschärfen, zu widerlegen gilt.

Dazu gehört aber auch die eigene Auseinandersetzung zum Beispiel mit dem Phänomen, dass bei den jüngsten Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern scharenweise Wählerinnen der Linken zur AfD überliefen. Vollzieht sich der Wechsel vom Internationalisten zum Nationalisten wirklich so rasch und schmerzlos? Warum haben dort zugleich mehr Arbeiter und Arbeitslose AfD als SPD gewählt?

Und warum sind 2001 – ein fast schon historisch zu nennender Rückblick – eine große Zahl sozialdemokratischer Stammtische in Hamburg zum Rechtspopulisten Schill übergelaufen, bloß um zweieinhalb Jahre später mit fliegenden Fahnen Strahlemann Ole von Beust die absolute Mehrheit zu bescheren und nach schwarz-grüner Verwirrung wieder beim nächsten starken Mann Olaf Scholz zu landen?

Allesamt eher Gründe für Zweifel am Sinn des allgemeinen Wahlrechts, allesamt keine Belege für glasklare politische Analysen. Sondern in erster Linie Anzeichen dafür, dass politische Entscheidungen zunehmend nach kurzfristigen Reiz-Reaktions-Schemata getroffen werden. Und eben das führt zu der Erkenntnis, dass mit scharfsinnigen akademischen Debatten der Kampf, und das ist er, mit dem Populismus nicht zu gewinnen ist.

WählerInnen rechtspopulistischer Parteien als vorurteilsbeladene Kretins zu schmähen, beschreibt den Irrweg, dass es sich nicht lohne, sich mit ihren Positionen zu beschäftigen

Die Entkleidung, die Entzauberung, die Demaskierung der Rechtspopulisten kann nur gelingen über die Debatte mit ihnen und über sie gleichermaßen. Das ist, zugegeben, der mühsame Weg, mit verständlich formulierten Fakten und Sachargumenten zum Erfolg kommen zu wollen. Entscheidend dabei ist es, den Adressaten nicht aus dem Sinn zu verlieren: Nicht der Populist ist zu bekehren, sondern seine Gefolgschaft eines Besseren zu belehren. Die gilt es zurückzugewinnen, um den ewiggestrigen Schwadroneur zu isolieren und seiner Basis zu berauben, wenn er selbst denn nicht zu läutern ist.

Wichtig ist dabei, Positionen selbstbewusst zu bewahren. Jede Annäherung an die Rechtsaußen bestärkt diese und ihre WählerInnen in der Vermutung, sie hätten ja doch Recht gehabt. Die Gefahr, dass gemäßigte Positionen sich extremen annähern, liegt vor allem in Fragen der inneren Sicherheit, der Integration und der Zuwanderungsgesellschaft auf der Hand. Wer „Obergrenzen“ für diskutabel erklärt, wie Seehofer es tut und Gabriel es tat, besorgt das Geschäft der Populisten. Jedes Aufweichen liberaler und toleranter Positionen aber ist ein Sieg der Rechtsaußen. Gewählt wird stets das Original, nie die Kopie.

Mit Populisten und über sie muss man reden, weil sie die Weigerung als Beweis nehmen würden, ausgegrenzt und unterdrückt zu werden. Aber man darf nicht wie Populisten reden.

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