US-Wahl in Berlin: „War das ein ätzender Wahlkampf“

Wie erleben Berliner US-Amerikaner fernab der Heimat den Endspurt der US-Wahlen? Und für wen stimmen sie? Fünf Protokolle.

Demonstranten reißen vor dem Brandenburger Tor eine symbolische Mauer mit Trumps Konterfrei nieder

Nicht so gespalten wie in den USA: Amerikanische WählerInnen in Berlin Foto: Reuters

Sarah Morton (33) aus Massachusetts, Robert Bosch-Stipendiatin:

„Den Wahlkampf aus der Ferne zu beobachten war interessant, aber auch aufreibend. Seit Juli bin ich in Berlin. Obwohl ich in Massachusetts lebe, das kein Swing State ist, war es sehr wichtig für mich zu wählen. Ich habe Hillary gewählt, und das war überhaupt keine schwere Entscheidung für mich. Ich mag keinen der Kandidaten der Drittparteien und Trump ohnehin nicht. Ich habe zwar ein Problem mit einigen Aspekten von Hillarys Politik, aber angesichts der Optionen war sie die beste Wahl.

Ich bin ziemlich besorgt, dass Trump gewinnt, deshalb will ich, dass die Wahl jetzt schnell vorbei ist, weil sich die beiden in den Umfragen annähern. Ich denke, wenn Trump gewinnt, werden die ersten drei Monate ziemlich unheimlich. Dann würde sich herausstellen, ob er so absurd ist, wie er scheint, und ob er wirklich seine Wahlversprechen durchsetzt. Aber ich hoffe, dass das nicht passieren wird.“

Josh Telson (34) aus New York, Komiker:

„Das war ein ziemlich außergewöhnlicher Wahlkampf. Für mich ein schwieriger: Ich bin kein großer Fan von Hillary, aber Trump ist so schrecklich, dass etwas getan werden muss, um ihn zu stoppen. Ich komme aus New York, einem Staat, in dem Hillary so gut wie sicher gewinnt, deshalb konnte ich zum Glück eine Drittpartei wählen.

Aus der Perspektive eines Comedians ist es zwar interessant, aber nicht mehr lustig, Witze über Trump zu machen. Er ist so verrückt, dass es schwer ist, über ihn zu lachen. Auch ist es unheimlich, dass er Präsident werden könnte, und es genug Menschen gibt, die ihn unterstützen. In der Wahlnacht veranstalten wir eine Wahlparty mit Stand-up-Comedy im Comedy Café Berlin. Wir versuchen einfach, so viel Spaß zu haben wie eben möglich. Wahrscheinlich trinken wir uns einfach besinnungslos.“

Randy Kaufman (65) aus Washington State, Lebenskünstler:

Der Präsident wird nicht direkt vom Volk gewählt, sondern durch ein Gremium von Wahlleuten aus den unterschiedlichen Bundesstaaten. Die Wähler entscheiden mit ihrer Stimme, für welchen Präsidentschaftskandidaten die Wahlmänner ihres Bundesstaats votieren sollen. Präsident wird, wer durch Siege in den Bundesstaaten die Mehrheit von mindestens 270 der 538 Wahlmänner erreicht. Dabei kommt den Swing States eine besondere Rolle zu. Das sind Staaten, in denen sich die Wählerschaft zwischen Republikanern und Demokraten die Waage hält.

Wahlpartys:

US Election All-Nighter im Halleschen Haus mit Live-Streaming. Tempelhofer-Ufer 1, ab 22 Uhr, Eintritt 5 €.

Thank F*ck we don‘t live in the USA anymore – Election Party im Comedy Club mit Programm von US-Comedians. Roseggerstr. 17, ab 22 Uhr, Eintritt frei.

Wahlparty im Nalu Diner (Restaurant) mit CNN-Livestream. Dunckerstr. 80A, ab 19 Uhr, Eintritt frei (les, ekim)

„War das ein ätzender Wahlkampf. Man möchte die Wahl gar nicht gucken. Aber natürlich werde ich Dienstagnacht trotzdem vor dem Bildschirm sitzen. Ich lebe seit 1978 in Berlin, aber ich bin immer noch US-Amerikaner. In Washington State bin ich als Wähler registriert. So wie in allen Staaten an der Westküste haben die Demokraten dort die Mehrheit. Die Wahlunterlagen habe ich per E-Mail zugeschickt bekommen. Natürlich habe ich Hillary gewählt.

Wenn man Trump nicht will, bleibt einem nichts anderes übrig. Gleichzeitig stimmen wir auf State-Ebene über die Einführung von Mindestlohn und Krankentagen ab. Für jeweils 360 Arbeitsstunden bekommt man jeweils einen Krankentag gutgeschrieben. Auch der Gouverneur wird neu gewählt. Cannabis ist in Washington State schon seit ein paar Jahren legal. Darüber haben wir bei den letzten Wahlen abgestimmt. Die Steuereinnahmen fließen in Bildung und Kindergärten.“

Stefan Prystawik (51) aus Virginia, Publizist und Dozent:

„Ich bin halb amerikanisch, halb europäisch. Nach Berlin kam ich zum ersten Mal 2002. Aufgewachsen bin ich unter anderem in Arlington in Virginia, einst einem erzkonservativen Bundesstaat, der heute fest in demokratischer Hand ist. Für Virginia gebe ich auch meine Stimme ab, es gilt als sicher, dass der Bundesstaat an die Demokraten geht. Diese Wahl ist ein großes Problem für Amerika. Als aktiver Republikaner bin ich sonst regelmäßig beim Nominierungsparteitag dabei gewesen.

Dieses Mal bin ich allerdings nicht gefahren. Von anderen Republikanern weiß ich, dass sie regelrecht nach Ausreden gesucht haben, um diese Veranstaltung zu schwänzen. Denn Donald Trump halte ich nicht nur für ungeeignet, sondern auch für gefährlich. Schon der Vorwahlkampf war unsäglich. Schweren Herzens werde ich Frau Clinton wählen. Daran hätte ich früher nicht in meinen kühnsten Träumen gedacht.“

Hannah Edwards (27) aus Arizona, Studentin:

„Ich habe keine besonders emotionale Verknüpfung zu dem Wahlkampf, weil ich nach Deutschland gekommen bin, als ich sechs Jahre alt war. Irgendwann in diesem Wahlkampf habe ich aufgehört, die kompletten Debatten zu verfolgen, weil mich das wütend macht. Ich kann Trump nicht zuhören. Es macht mich wahnsinnig und lässt mich an der Menschheit zweifeln.

Ich habe Hillary gewählt, weil es einfach nur darum geht zu verhindern, dass Trump Präsident wird. Wenn er wirklich gewählt wird, frage ich mich, was eigentlich mit der Welt los ist. Wie konnte es so weit kommen, dass Trump als fähiger Kandidat aufgestellt wird, wenn er selbst bei Leuten aus dem republikanischen Lager so wenig Unterstützung hat. Meine Sorge ist, was das für gesellschaftliche Folgen haben wird.“

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