Rassismus und Justiz: Verurteilt wegen 0,5 g Marihuana

Ein 20-Jähriger ist in Hamburg wegen 0,5 Gramm Marihuana verurteilt worden. Dabei war sich der Zeuge nicht sicher, wen er beobachtet hat.

Egal was es ist, ein halbes Gramm ist immer gefährlich Foto: BfR

HAMBURG taz | Nein, die Hautfarbe hätte in diesem Fall keine Rolle gespielt. Mit diesem Satz leitet die Richterin im Strafgericht Hamburg am Freitag ihre Urteilsverkündung ein. Auf der Anklagebank sitzt ein Geflüchteter aus Guinea-Bissau, 20 Jahre alt, links neben ihm seine Verteidigerin, rechts ein Dolmetscher. Die Vorwürfe lauten: Handel mit 0,5 Gramm Marihuana in der Hamburger Hafenstraße und Widerstand bei seiner Festnahme. Beleidigend soll er auch geworden sein, er soll den Polizisten „Fuck the police“ entgegengerufen haben.

Die Beweislage, aus der sich diese Vorwürfe ableiten, ist allerdings recht dünn. So will ein Polizeibeamter in Zivil den Angeklagten ein paar Stunden vor dessen Festnahme bei „einer Austauschhandlung“ beobachtet haben, sprich: beim Dealen. Am Abend desselben Tages wurde dann auch ein vermeintlicher Dealer festgesetzt, ebenfalls ein Geflüchteter, ebenfalls wegen Marihuana-Besitzes – nur war dies eben nicht der Mann, der jetzt auf der Anklagebank sitzt. Zufällig befand der sich aber in der Nähe und wurde deshalb auch gleich mit abgeführt.

Am Freitag nun ist der entsprechende Beamte erneut als Zeuge in den Prozess gegen den 20-Jährigen geladen worden. Es geht in der Befragung im Wesentlichen darum, ob sich der Polizist noch an die mittags gemachten Beobachtungen erinnern könne. Und ob er wirklich zweifelsfrei sagen könne, ob er dabei den Angeklagten beobachtet habe oder nicht vielleicht doch einen anderen Geflüchteten. „Ich bin mir sicher, dass ich die Austauschhandlung damals wiedererkannt habe. An Gesicht, Statur und Kleidung konnte ich die Person identifizieren. Jetzt habe ich aber keine Erinnerung mehr daran“, sagt der Beamte.

Die Verteidigerin prangert an, dass die Polizeiberichte so vage gehalten seien, dass sie auf alle möglichen Austauschhandlungen zuträfen. Details fehlten, auch formulierten die Polizeibeamten im Copy-and-paste-Stil ihre Anzeigen gegen Geflüchtete, tauschten schlicht Namen und Daten aus. Das falle unter anderem auf, so die Verteidigerin, weil die Interpunktion in vielen Berichten an denselben Stellen falsch sei. Sie plädierte auf Freispruch für ihren Mandanten. Ihre Argumentation fußte im Wesentlichen auf den lückenhaften Erinnerungen des Polizisten im Zeugenstand.

Der Staatsanwalt beurteilt das anders. Er hält den Polizisten für glaubwürdig und fordert daher einen zwölftägigen Jugendarrest für den 20-Jährigen. Die Richterin folgt ihm nahezu und ordnet zehn Tage Jugendarrest an, weil der Angeklagte gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen habe. Er sei aber nur wegen des Besitzes, nicht wegen Drogenhandels zu verurteilen. Und – so will es die Richterin in Gesprächen mit der Polizei erfahren haben – der Zugriff sei nicht deshalb erfolgt, weil der Angeklagte Schwarzafrikaner sei, sondern weil er sich in der Hafenstraße aufgehalten habe. „Das ist ein Ort, der verdächtig ist“, so die Richterin.

Die Verfahrenskosten muss der Angeklagte nicht tragen, die Verteidigerin will jetzt Einspruch gegen das Urteil einlegen.

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