Gewalt wird einziges Thema: „Für uns legitime Ziele“

Der Brandanschlag auf die Autos eines Polizisten hat eine Gewalt-Debatte ausgelöst – und die rassistischen Kontrollen in den Hintergrund gerückt

brennendes polizeiauto

Die Szene diskutiert: Gewalt gegen Menschen, Dienst- oder Privatwagen? Foto: dpa

HAMBURG taz | Der Brandanschlag auf das Carport des Polizei-Chefs der seit April in Hamburg operierenden „Task Force Drogen“ hat einen heftigen Diskus über militante Aktionen der linken Szene ausgelöst. Bei der Aktion in der Nacht zum Freitag an dem Einfamilienhaus in Lehmsahl-Mellingstedt, zu dem vermutlich aus der antirassistischen Szene ein Bekennerschreiben vorliegt, waren der Nissan Pathfinder und ein VW Polo der Familie des Polizeichefs beschädigt worden.

„Mit dem Angriff auf die Privatsphäre eines Beamten der Polizeiführung wurde eindeutig eine Grenze überschritten“, verurteilte Polizeipräsident Ralf Meyer die politisch motivierte Straftat. „Die Täter haben Leib und Leben nicht nur des Polizeibeamten in Gefahr gebracht, sondern auch das seiner ganzen Familie.“

Diese Aussage suggeriert, dass die Brandstifter bewusst Menschenleben in Kauf genommen hätten. Doch formaljuristisch war es lediglich eine Sachbeschädigung und keine Körperverletzung, wenngleich die Familie wohl einen Schreck bekommen hat.

Brandanschläge auf Autos von Politikern und Wirtschaftsrepräsentanten im Vorwege des G 8-Gipfels in Heiligendamm führten im Jahr 2007 dazu, dass die damalige Bundesanwältin Monika Harms gegen G 8-Gegner ein Verfahren wegen Bildung einer der terroristische Vereinigung nach dem Paragrafen 129a des Strafgesetzbuches einleitete.

In der Folge kam es zu Observationen, Telefon- und flächendeckender Postüberwachung sowie der Verwanzung von Wohnungen.

Der Bundesgerichtshof stufte Ende 2007 das 129a-Verfahren als rechtswidrig ein. Bloße Sachbeschädigungen könnten die Gesellschaftsordnung nicht erschüttern.

Logik der Militanz

Dass militante linke Gruppen zu solchen Formen des „Widerstandes gegen die herrschenden Verhältnisse“ greifen, ist aus deren Logik erklärbar. In einem Bekennerschreiben zu der Brandstiftung heißt es: „Täter haben Namen und Adressen.“

Häuser und Autos von Polizeiführern seien „für uns legitime Ziele“. Den Polizeichef bezeichnen die Briefschreiber als „Menschenjäger“, der als Leiter der Task Force Drogen eine „Hetzjagd auf vermeintliche Dealer_innen in St. Pauli“ betreibe.

Auch nach Auffassung der innenpolitischen Sprecherin der Linkspartei, Christiane Schneider, haben die Kontrollen der Polizei in der Hafenstraße die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verlassen. Im August stürmten 300 Polizisten und die mit Maschinenpistolen bewaffnete Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) unter dem Vorwand die Hafenstraßenhäuser, ein Stromkabel beschlagnahmen zu wollen. Tatsächlich wurden 34 vermeintliche Drogendealer im Hinterhof der Volxküche festgesetzt.

Auch in der Polizei umstritten

Selbst in Polizeikreisen war die Machtdemonstration umstritten. „Das wäre alles auch ohne großen Aufwand zu bewältigen gewesen und der BFE-Einsatz ging gar nicht“, sagte ein Polizeioffizier der taz.

Auch ist die 80-köpfige Task Force dem ständigen Vorwurf des menschenrechtswidrigen „Racial Profilings“ ausgesetzt, da sie in St. Pauli, im Schanzenviertel und St. Georg primär gegen schwarz-afrikanische mutmaßliche Drogendealer vorgeht.

„Von April bis Ende August wurden 230 Einsätze durchgeführt, über 11.500 Personen überprüft, mindestens 5.000 Platzverweise und Aufenthaltsverbote ausgesprochen, mehr als 350 Menschen vorläufig festgenommen, 2.000 Strafanzeigen gestellt, 60 Haftbefehle erlassen und 13 Freiheitsstrafen verhängt“, heißt es in dem Bekennerschreiben.

No-Go-Areas dank Polizei?

„Für People-of-Color wurden die Einsatzgebiete der Task-Force zeitweilig zu No-Go-Areas“, heißt es in dem Schreiben weiter. „Dass dabei auch jemand tot auf der Strecke bleibt, wie Jaja Diabi, der wegen 1–2 g Mariuhana festgenommen wurde und im Gefängnis gestorben ist, juckt die Staatsmacht nicht.“

Da in dem Bekennerschreiber auch Bezug auf mögliche Protestaktionen gegen den G 20-Gipfel im nächsten Jahr genommen wird, haben sich auch, genau wie vor dem G 8-Gipfel im Jahr 2007, die Staatsschutzbehörden eingeschaltet (siehe Kasten).

Die Polizei will die Gruppierung hinter der Brandstiftung erwischen: „Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren“, sagt Polizeisprecherin Heike Uhde.

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