Stadionneubaupläne bei RB Leipzig: Vergrabene Tradition

Im Herbst will RB Leipzig über einen Stadionneubau entscheiden. Der Fußballklub ist wohl dafür, die Fans aber revoltieren.

Eine Frau hält einen Fan-Schal vom Fußballklub RB Leipzig hoch. Zwischen ihren Armen sieht man das Stadion

Die Fans hängen nicht nur am Fußball, sondern auch an der Red Bull Arena – oder am Boden darunter Foto: dpa

LEIPZIG taz | Eigentlich ist das gerade nichts fürs Gemüt. Es ist Herbst geworden in Leipzig über Nacht, regnerisch und kalt. Nur am Cottaweg scheint noch die Sonne. Am Cottaweg residiert der Bundesligaaufsteiger RB Leipzig in seiner Akademie. Dort wärmt er sich im Schein von sechs niederlagelosen Spielen zum Auftakt in die erste Oberhaus-Saison der Vereinsgeschichte.

RB siegte drei Mal, spielte drei Mal Remis. Das macht in der Summe zwölf Punkte und Tabellenrang fünf. Und bedeutet zugleich einen beachtlichen Rekord. Seit 47 Jahren ist kein Debütant besser in eine Erstligasaison gestartet.

Der Erfolg kommt zur rechten Zeit. Denn er hilft nicht nur über den Jahreszeitenwechsel. Er hilft dem Verein auch, eine Entscheidung zu fällen, die richtungsweisend ist. Und die Verein und Fans vor eine Zerreißprobe stellt. Es geht um den möglichen Bau eines neuen Stadions. Und die Frage, die jetzt im Herbst noch beantwortet werden soll, lautet: ja oder nein?

Geht es nach RB, so ist die Frage eigentlich keine mehr. Der Vorstandsvorsitzende Oliver Mintzlaff hatte schon im Frühsommer die bemerkenswerte Aussage getroffen: „Ohne alle Fakten auf dem Tisch zu haben, gibt es momentan die Tendenz zu einem Neubau.“ Vor wenigen Tagen hat er diese Aussage über Umwege wiederholt. „Wir glauben, dass mittelfristig die Kapazität der Arena, in der wir gerade spielen, nicht ausreicht.“ Also soll es an den Rand der Stadt gehen. Wohin da genau, ist noch nicht geklärt. Aber wie groß der Neubau werden soll, darüber gibt es offensichtlich schon Konsens. Um die 70.000 Plätze. Voraussichtliche Kosten. Um die 300 Millionen Euro.

Stadion bisher nur gepachtet

Das wäre ein Zuwachs von knapp 25.000 Plastikschalen inklusive einer deutlichen Vermehrung von VIP-Plätzen sowie Firmen- und Celebrity-Boxen. Und überhaupt: Das Stadion würde RB Leipzig gehören. Dieser Punkt steht im Zentrum aller Argumente für einen Auszug aus der aktuellen Spielstätte.

Es heißt: Das Stadion ist mit 44.000 Plätzen zu klein. Ja, man könne auf 57.000 ausbauen, aber man denke nur an die fehlenden Parkplätze, an die genervten Anwohner, wo das Stadion doch mitten in der Stadt stehe. Zudem, die Kioske seien nicht State of the Art, die Technik wäre schon zehn Jahre alt, es gibt nur 1.280 VIP-Plätze, von den wenigen Business-Boxen ganz zu schweigen. „Da sind wir in der Vermarktung schon limitiert“, sagt Mintzlaff. Vor allem aber: Das Stadion gehört dem Unternehmer Michael Kölmel, RB spielt bis 2020 nur zur Pacht. „Und grundsätzlich“, so Mintzlaff, investiert man ja ungern in fremdes Eigentum.“

Manchen in der Stadt leuchtet das ein. Den meisten aber graut es vor der Vorstellung, RB würde das Stadion verlassen. Dass es erst vor gute zehn Jahren erbaut wurde, ist nicht von Bedeutung. Von Bedeutung ist, was unter der Arena liegt. Und das sind die Fundamente des alten Zentralstadions, das Oval, das einst 100.000 Zuschauern Platz bot, das größte Sportfeld der DDR. Es ist ein Mythos in Leipzig. Hier trug der frühere Spitzenklub Lokomotive seine Europapokalspiele aus.

Und es hält Klub und Fans zusammen. Wenn es etwas gibt, dass der sensiblen Verbindung zwischen den Menschen in Leipzig und dem von Red Bull alimentierten Klub, den Österreicher gegründet haben und den ausnahmslos altbundesdeutsche Ex-Fußballer, Trainer und Athleten führen, schaden könnte, dann die Stadionfrage. Nicht von ungefähr stand das erste Heimspiel im Zeichen der alten Spielstätte. Auf Stoff gemalt lag es da über den B-Block gespannt vor der Silhouette der Stadt und drunter stand: „Zentralstadion – 60 Jahre bist du alt und endlich wieder erstklassig.“ Die Partie gegen den BVB fiel auf den Jahrestag seiner Eröffnung.

Die Identifikation geht hops

Das Banner ging unter anderem auf eine Aktion der „Initiative 60plus“ zurück, einem Zusammenschluss von Fangruppen und Sympathisanten, die für den Verbleib in der Arena kämpfen. In ihrem Kommunique heißt es: „Das Stadion an seinem Platz ist der Anker des Vereins im Herzen unserer Stadt.“ Sören Minx von der Online-Platform rb-fans.de, erklärte der Mitteldeutschen Zeitung: „Die meisten hier sind nicht im Stadion, um Red Bull nach vorne zu schreien, sondern weil sie aus Leipzig und Umgebung sind und sich deswegen mit dem Klub identifizieren. Das Stadion ist ein ganz zentraler Bestandteil unserer Beziehung zu RB Leipzig.“

Und genau deswegen ist ein Auszug so gut wie nicht verhandelbar. Zuletzt erklärten die Fans im Stadion auf zahlreich Spruchbändern, was sie von einem Umzug aufs Land halten. Der Satz „Wir haben alle Heuschnupfen – grüne Wiese ohne uns!“, war noch von der humorvolleren Art. Doch nimmt RB das noch wahr? Momentan scheint der Klub vor lauter Sonne wie entrückt. Und das auch, obwohl der Herbstregen gerade ein paar der Argumente pro Neubau in die Elster schwemmt. Als die Spruchbänderaktion vorigen Freitag lief, spielte der Aufsteiger gerade gegen den FC Augsburg. Augsburg, das ist wie Ingolstadt, Darmstadt, Wolfsburg, Mainz, Hertha, Hoffenheim, Freiburg. Also knapp die Hälfte aller Bundesligisten. Es war RB Leipzigs drittes Heimspiel jemals in der Ersten Liga. Und schon das erste vor nicht ausverkauften Rängen.

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