Kolumne Hosen runter: Darm ohne Scham

Mein Urlaubsmotto lautet: Lass baumeln, Kumpel! Oder: Eier muss man nicht suchen – denn die Insel Nacktos ist überall.

Ein nackter Mann steht auf einer Düne

Achtung! Gleicht bückt er sich Foto: photocase / una.knipsolina

Am Tag vor der Abreise sehe ich das siebte Arschloch in diesem Urlaub. Wir sind auf Naxos, einer griechischen Insel, die mein Freund ausschließlich Nacktos nennt, und obwohl im Reiseführer steht, dass Nacktbaden per Gesetz verboten und strafbar ist, machen das hier fast alle.

Auch wir.

Vom Strand aus sieht man in der Ferne die Berge von Paros und in der Nähe hügelige Landschaften aus Fleisch. Dann bückt sich der erste nackte Mann.

Mit Schwung und durchgedrückten Beinen klappt er seinen Oberkörper nach vorne, um etwas aus seinem Rucksack zu holen und plötzlich scheint die Sonne nicht mehr nur vom Himmel.

Ich denke: Huch. Ich wollte doch eigentlich Meerblick, nicht mehr Blick. Aber gut, vielleicht hat er vergessen, dass er nichts anhat.

Dingdong!

Ein paar Tage später lese ich „Untenrum frei“ von Margarete Stokowski und lasse zwischendurch meinen Blick schweifen. Da passiert es wieder. Gleicher Strand, anderer Mann. Klapp, Oberkörper runter, Po hoch. Ich gucke weg, gucke wieder hin und denke: Darm ohne Scham.

Und: Dingdong! Da schreibt Stokowski über Hegel, der an sich runterguckt und „höchste Vollendung“ sieht, über Dick Pics und Männer, die so stolz auf ihre Penisse sind, dass sie bis zum Mars reichen würden, wenn sie einander Huckepack nähmen, und ich habe den Beweis direkt vor der Nase. Nur ein Zufall? Die nächsten Tage zeigen: nein.

Keine Frau, die ich beobachte, präsentiert der Welt ungefragt ihre Vulva, wenn sie etwas vom Boden aufhebt, egal ob angezogen oder nackt. Die Männer hingegen: selbstbewusst bis in den 12-Finger-Darm. Oder einfach nur selbstvergessen.

Während sie sich bücken und baumeln lassen, machen sich die Frauen klein. Sie gehen in die Hocke. Man könnte auch sagen: In die Knie. Schließlich haben sie jahrelang gelernt, gewisse Körperteile nicht zur Schau zu stellen.

„Ist 'die Scham’etwas, wofür sich irgendwer schämen müsste?“, schreibt Stokowski. „Und müssten sich die Jungs dann nicht eigentlich mehr schämen als Mädchen, weil bei den Jungs alles raushängt und bei den Mädchen alles halbwegs ordentlich liegt?“ Offenbar nicht. Und irgendwie bin ich sogar ein bisschen neidisch darauf, dass die Männer sich hier so einfach frei bewegen. Heißt ja auch FKK.

Sogar der Kater, der uns am Strand um Essen anschnorrt, streckt sein Hinterteil mit erhobenem Schwanz in die Luft und zeigt stolz seine dicken Eier.

Eier

Ich muss an die Chirurgin denken, von der ein Freund neulich erzählt hat. Sie arbeitete als einzige Ärztin unter Männern, die sie behandelten wie eine Krankenschwester. Bei einer Arbeitsbesprechung trug sie auffallende, ostereiförmige Ohrringe, und als einer ihrer Kollegen das kommentierte, sagte sie: „Die Eier baumeln eben bei jedem woanders.“

Am letzten Tag hole ich mir einen Sonnenbrand. Als ich abends meinen Koffer packe und in die Hocke gehe, brennen meine Schienbeine wie Feuer. Ich beuge mich also meinem Schicksal und meinen Oberkörper nach vorne. Klapp! Schlecht für den Rücken, aber gut für den Kopf. Wir sollten alle viel mehr in die Sonne gehen.

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Jahrgang 1984, Redakteurin der taz am wochenende. Bücher: „Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst“ (2018, KiWi). „Theo weiß, was er will“ (2016, Carlsen). „Müslimädchen – Mein Trauma vom gesunden Leben“ (2013, Lübbe).

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