Plakatmotive bei der Berlin-Wahl: Scharf erst in der zweiten Welle

Die SPD wirbt mit dezenter Unschärfe, die Grünen zeigen Comics und die Linke setzt auf Spaß. Sinnvolle Informationen wären noch besser.

Ein Radfahrer fährt an einem Wahlplakat der Berliner SPD vorbei. Darauf ist zu sehen: Die Drag Queen Nina Queer und die Aufschrift „Berlin bleibt frei“

Es sind nicht immer alle scharf im Bild – in der zweiten Welle vielleicht dann doch Foto: dpa

Wir sitzen vor dem Späti. B., der Handwerker, erzählt, wie er neulich vor dem „Logo“, einer Kreuzberger Traditionskneipe, gleich gegenüber vom SPD-Bezirksbüro gesessen hätte. SPD-Kandidat Björn Eggert sei vorbeigekommen und er habe dem Politiker laut zugerufen „ihr Arschlöcher, ihr Wichser“. Ich vermute wegen Hartz IV. Die Leute vom „Logo“ hätten ihn deswegen ermahnt. Er lasse sich aber den Mund nicht verbieten und reiße in seiner Gegend auch gerne Plakate ab. Wen wählst du? – Die Linke.

Irgendwie wundert mich seine Wut. Ich finde es schön, dass alle paar Jahre Politiker die Stars der Straße sind. Man sieht die Poster und denkt zum Beispiel, der Björn Eggert ist aber ganz schön dick geworden. Und ein paar Tage später fällt einem ein, dass man Björn Eggert mit Björn Böhning verwechselt hatte, der hier vor zwanzig Jahren plakatiert worden war. Oder man freut sich, dass man den Namen von Cansel Kiziltepe von der SPD noch korrekt im Kopf gespeichert hat.

Der Wahlkampf ist in vollem Gang. Die unterschiedlichen Kollektionen der Plakate werden in den Lokalzeitungen so ausführlich gewürdigt wie die neuen Spielerkollektionen der Fußballbundesliga-Vereine. In der ersten Wahlkampfgroßplakatewelle war der Regierende Bürgermeister Michael Müller unscharf; der Fokus lag auf den BürgerInnen, etwa einer Kopftuchträgerin, der Müller auf der Rolltreppe begegnet.

In der „zweiten Welle“ (wie wir Werbefachleute so sagen), die vor Kurzem begann, ist er extrascharf. Raffinierterweise nur auf einem der fünf neuen Motive. Auf den anderen steht der Bürger wieder im Mittelpunkt: die Dragqueen Nina Queer, zwei kleine Mädchen, eine Seniorin. Wie bei der CDU, die mit Frank Henkel plakatiert, der mit seinem kleinen Sohn auf der Schulter pausbäckig-bodenständig in die Gegend grinst, wird es auch bei der SPD eine dritte Welle geben.

Durchgehend schwarz-weiß und einmal auch schmunzelorientiert („Berliner Speed – mehr Zug reinbringen“) plakatiert die Linke.

Das von Franziska Riemann für die Grünen gestaltete Comicplakat zeigt den Kreuzberger Grünenabgeordneten „Turgut“ (Altug). Es knüpft an Gerhard Seyfrieds Ströbele-Plakate an – wobei die Marihuanapflanzen, die bei den Ströbele-Plakaten noch deutlich zu sehen waren, hier eher angedeutet sind. Gezeigt wird ein Idyll ohne Autos, mit viel Grünzeug, Bienen und Regenbogen. Man fragt sich aber, wieso die Leute mit Protesttransparenten auf dem Balkon stehen – wo sie doch schon im Kreuzberger Paradies leben.

Eigentlich sind die meisten Plakate gut. Noch besser aber wäre es, wenn die Parteien sinnvolle Informationen plakatieren würden; zum Beispiel nützliche Vokabeln in verschiedenen Sprachen oder Namen und Aussehen der verschiedenen Pflanzen und Tiere dieser Stadt. Oft steht man vor Bäumen oder Tieren und weiß nicht, wie sie heißen.

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