Clubkultur am Fischmarkt in Hamburg: Die Bands, die wir mögen

Fein, klein und zwanzig Jahre jung ist der Hamburger Club Hafenklang. Mit einem Open-Air-Festival freut man sich über das Standhalten.

Eine feiernde Menge im roten Schummerlicht.

Feiern können sie im Hafenklang schon lange gut Foto: Hafenklang

Das Hafenklang nahe dem Hamburger Fischmarkt ist kein Club, in den man sich sofort verliebt. Der schmucklose Saal für etwa 200 Besucher sieht aus wie ein überdimensionierter Abstellraum, in dem ewige Dunkelheit herrscht. Ist ein Konzert ausverkauft, kann es passieren, dass man direkt hinter einem Pfeiler stehen muss und nur den Bassisten sieht. An den wenigen warmen Sommertagen ist es drinnen oft unfassbar heiß.

Aber jedem Besucher, der Widerspenstigkeit, Vielfalt und Do-it-yourself-Kultur schätzt, wächst der Laden schnell ans Herz – mitsamt den trockenen Sprüchen der Tresenleute, der Spendendose für soziale Projekte, den moderaten Eintrittspreisen und dem verlässlich guten Programm.

Mehrfach bekam das Hafenklang Preise, just im Januar den von der Kulturbehörde unterstützten Hamburger Club Award in der Kategorie „Bester Liveclub“. In diesem Jahr feiert man hier 20-jähriges Bestehen. Im Zentrum der Festivitäten steht am 5. und 6. August ein Open-Air-Festival mit Bernd Begemann, Trouble Orchestra und vielen anderen.

Partys gegen den Abriss

Dabei mutet es auf den ersten Blick erstaunlich an, dass es den Club überhaupt gibt. Er liegt in einem Viertel des Stadtteils Altona, das in den vergangenen 15 Jahren massiv aufgewertet wurde – Hummerrestaurant statt Straßenstrich. Daran ist nicht alles schlecht, aber häufig verschwinden Störfaktoren wie ein mit Plakaten, Tags und Aufklebern verzierter Musikschuppen im Laufe solcher Prozesse aus dem Stadtbild.

Die Besonderheit des Hafenklangs: Der Club ist überhaupt erst während einer Auseinandersetzung über die Zukunft des Viertels entstanden. 1996 wollte ein Immobilienunternehmen dort ein 1860 fertiggestelltes Haus abreißen und ein Hotel errichten. Im ersten Stock, in dem sich heute mit dem Goldenen Salon der viel schönere, kleinere Saal des Clubs befindet, lebte aber eine politisch engagierte Wohngemeinschaft, die sich mit dem Abriss nicht abfinden wollte. Um auf das Thema aufmerksam zu machen, organisierte sie in den bereits leeren Parterreräumen Konzerte und Partys. Die Geburtsstunde des Hafenklangs.

Das Gebäude besaß schon damals wegen des dort ansässigen, gleichnamigen Studios eine gewisse Bekanntheit, dort nahmen etwa Einstürzende Neubauten früher Alben auf. Auch Hamburger Künstler unterstützten den Erhalt. „Es wurde eine große kritische Öffentlichkeit geschaffen, die das Immobilienunternehmen nicht gebrauchen konnte“, sagt Thomas Lengefeld, seit Langem Geschäftsführer. „Kurz vorher gab es bei drei großen Projekten dieser Firma in der Stadt Gegenwind und negative Presse. Das wollten die Verantwortlichen hier vermeiden und waren angesichts der erfolgreichen Mobilisierung irgendwann gesprächsbereit.“

Protest, Beharrlichkeit und Verhandlungsgeschick haben sich ausgezahlt

Ein charaktervolles Haus

Die Hafenklang-Aktivisten setzten sich mit den Investoren an einen Tisch, suchten sich einen Anwalt und einen Architekten, entwarfen Pläne für die Zukunft des Hauses. Es hatte sich bei ihnen der Wunsch entwickelt, in dem Haus dauerhaft einen Club zu etablieren.

Das Angebot, ein neues Gebäude mitsamt einer modernen Disco dort hinzustellen, lehnte das Hafenklang-Team ab. „Wir wollten dieses alte Haus unbedingt erhalten“, sagt Lengefeld. „Es hat Charakter und ist nicht so steril wie die Neubauten in der Gegend.“

Das Jubiläum wird gefeiert am 5. August mit einem Open Air Konzert auf dem Gelände der Schröderstiftung, mit Bernd Begemann, Tante Renate, Trouble Orchestra, u.a.. Am 6. August mit einer Party im Goldenen Salon. Mehr unter www.hafenklang.org

Zu einem Kompromiss waren sie aber bereit: Sie stimmten der Sanierung zu, und das altehrwürdige Gebäude bekam dabei einen Überbau mit hochpreisigen Lofts verpasst. Im Gegenzug wurde ihr Club aufgemotzt, unter anderem mit einer geräumigen Bandwohnung. Außerdem erhielten sie einen Mietvertrag. Laufzeit: 20 Jahre, gültig ab dem ersten Tag nach erfolgter Sanierung.

Im Jahr 2000 wurde der zuvor nicht unbedingt legale Konzertbetrieb auf ein neues Fundament gestellt, indem der Verein Hafenklang Kultur e. V. gegründet wurde und man alle notwendigen Konzessionen einholte. Protest, Beharrlichkeit, die professionelle Entwicklung eigener Pläne, Verhandlungsgeschick und Kompromissbereitschaft hatten sich ausgezahlt.

Die Elbe? Nicht mehr sichtbar

Die Sanierung begann erst 2006. Das Hafenklang musste raus, machte in einer Ausweichlocation weiter, 2009 ging es ­zurück an den alten Standort. „Seitdem gefällt mir hier im Stadtteil eigentlich nichts mehr“, sagt Lengefeld. „Man sieht nur noch Businessleute, der Blick auf die Elbe wurde zugebaut, ständig eröffnen Nobelgeschäfte. Unsere Klientel kam hier früher immer mal vorbei, weil das ein beliebter Weg von St. Pauli zum Elbstrand war, manche blieben dann hängen. Das hat sich erledigt, Laufkundschaft gibt es für uns nicht. Wir haben nur Gäste, die gezielt zu unseren Veranstaltungen kommen.“

Auf die naheliegende Strategie, deshalb nur Publikumsmagneten zu buchen, verzichtet das Hafenklang trotzdem. „Wir machen regelmäßig Konzerte, bei denen wir wissen, dass wenig Publikum kommen wird“, sagt Lengefeld. „Einfach weil wir Bands, die wir selber mögen, eine Bühne bieten wollen. Wir müssen das durch andere Veranstaltungen querfinanzieren und dabei immer viel rechnen.“

Um eine möglichst große Vielfalt anbieten zu können, sind gleich vier Booker im Einsatz, die unterschiedliche Vorlieben haben und möglichst autonom arbeiten. Insgesamt ein wilder, aber nie beliebiger Mix, mit dem das Publikum bislang in ausreichender Zahl angelockt wird. Das darf auch gerne in den nächsten 20 Jahren so bleiben.

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