Asphaltschneisen in Norddeutschland: Viel Schotter für neue Pisten

Der Bundesverkehrswegeplan sieht Milliarden für Straßen und Schienen im Norden vor. Kritiker sprechen allerdings von schöngerechneten Prestigeprojekten.

Ist nach 40 Jahren marode: die Köhlbrandbrücke. Foto: Christian Charisius/d

HAMBURG taz | Für mehr als 23 Milliarden Euro sollen im Norden Straßen, Schienen und Brücken gebaut werden. Das Fazit von Valerie Wilms zum Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 fällt trotzdem nüchtern aus: „Die Betonmischer haben sich durchgesetzt“, sagt die grüne Bundestagsabgeordnete. Der Plan, den das Bundeskabinett am Dienstag beschlossen hat, listet Hunderte von Infrastrukturprojekten in ganz Norddeutschland auf (siehe Kasten).

Wilms Kollege Konstantin von Notz nennt ihn eine „Wünsch-Dir-Was-Liste von überdimensionierten Prestigeprojekten“.Welche Projekte tatsächlich realisiert würden, sei völlig offen, stellt Wilms klar, denn der Plan sei drastisch unterfinanziert. Am Beispiel der Hinterlandanbindung des von Dänemark geplanten Fehmarnbelt-Tunnels rechnet von Notz das vor. Im BVWP seien dafür 1,5 Milliarden Euro vorgesehen, „und das reicht hinten und vorne nicht“, sagt von Notz. Ein Ersatz für die betagte Fehmarnsund-Brücke, mindestens 300 Millionen Euro teuer, ist in den Kosten noch gar nicht enthalten, selbst der Bundesrechnungshof gehe inzwischen von Kosten von bis zu drei Milliarden Euro aus.

Mit den bewusst niedrig angesetzten Beträgen werde ein höherer Kosten-Nutzen-Faktor erreicht. Der absehbare Effekt: Wenn alles doppelt so teuer würde wie heute behauptet, könnte nur die Hälfte der Vorhaben überhaupt realisiert werden. „Die Bundesregierung rechnet den Belt-Tunnel schön“, so von Notz’ Vorwurf.

Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 umfasst über 100 Infrastrukturprojekte im Norden für mehr als 23 Milliarden Euro. Die wichtigsten sind:

Bremen: Ausbau des Bremer Autobahnkreuzes und der A281 samt Weserquerung: 521 Millionen Euro. Vertiefung der Außen- und Unterweser: 93 Mio.

Hamburg: Ausbau und Überdeckelung der A7 nördlich des Elbtunnels: 756 Mio. Weiterbau der A26 von Niedersachsen bis Zur A1 bei Stillhorn (Hafenquerspange): 1,134 Mrd. Elbvertiefung: 398,1 Mrd.

Niedersachsen: Bau der A20 von der Elbe bis Westerstede: 2,589 Mrd. Bau der A26 bis Hamburg: 156,1 Mio. A39 Lüneburg bis Wolfsburg: 1,083 Mrd. Ausbauten von Schienenstrecken im Zusammenhang mit Alpha-E-Variante (modifizierte Y-Trasse): 3,890 Mrd.

Schleswig-Holstein: Ausbau der A7 von Hamburg bis Bordesholm: 792,8 Mio. Weiterbau der A20 von Weede bis zur Elbe: 1,156 Mrd. Hinterlandanbindung Fehmarnbelt (ohne Sundbrücke) 1,767 Mrd. Ausbau Nord-Ostsee-Kanal: 523,4 Mio.

Ähnliches gilt auch für andere Großprojekte wie die Küstenautobahn A20. Die notwendige Unterquerung der Elbe ist außen vor, weil der Tunnel privat finanziert und mautpflichtig werden soll. Also taucht er in den Kostenrechnungen des Bundesverkehrsministeriums nicht auf. Ebenso wird bei der geplanten Elbvertiefung nur der Bundesanteil von knapp 400 Millionen Euro genannt, die zusätzlichen etwa 200 Millionen Euro, die Hamburg aufbringen muss, fallen unter den Tisch.

Nicht viel anders verfährt der Plan mit dem Schienenausbau in Niedersachsen. Ausbau und Erneuerung der Trassen zwischen Hamburg, Bremen und Hannover, jahrzehntelang „Y-Trasse“ genannt, inzwischen zu mehreren „Alpha-Varianten“ umdeklariert, benennt der Plan nur in losen Etappen zu Kosten von knapp vier Milliarden Euro. Inzwischen liegen jedoch Kostenrechnungen in doppelter Höhe vor.

Ähnlich verhält es sich mit der maroden Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen. Der bis 2030 notwendige Ersatzbau taucht im BVWP gar nicht auf. Darüber müsse mit dem Bund gesondert verhandelt werden, teilt die Hamburger Wirtschafts- und Verkehrsbehörde auf Anfrage mit. Die Elbvertiefung zum Hafen wolle der Bund finanzieren, die Zufahrten an Land aber möglichst nicht: Klingt durchdacht.

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