Kunst in der kubanischen Provinz: Probleme eines naiven Malers

Osmar Peña verbringt sein Leben im Atelier. Erst nach 60 Jahren Arbeit hat er seine erste Ausstellung zeigen können. Der Erfolg hat ihn überrascht.

Ein Mann steht in einer Ausstellungshalle

Osmar Peña im März in den Räumen seiner Ausstellung in Santiago de Cuba Foto: Bernd Pickert

Für die spanische Originalversion bitte herunterscrollen! Si desea, puede consultar la versión original en español a continuación de esta traducción al alemán.

Wenn Osmar Peña einen Drink nehmen will, dann macht er das in seinem Atelier. Wenn er ein Baseballspiel verfolgen möchte, dann macht er im Atelier das Radio an. Dort, mit dem kleinen angebauten Bad mit Latrine, verbringt er 80 Prozent seines Lebens, einschließlich der Sonntage. Er hat eine Frau, vier Kinder und eine Schwiegermutter, aber nach Hause geht er nur zum Schlafen und zum Essen.

Überall auf der Welt ist es normal, dass jemand mit besonderen Fähigkeiten wie Osmar aus der Masse heraussticht. Aber in Kuba ist das noch viel besonderer, denn sein Sozialsystem hat nicht nur für Sicherheit gesorgt, sondern auch für Trägheit. Individuelle Projekte waren blockiert oder verblichen gegenüber den kollektiven, und oft fühlte sich der einzelne angesichts der großen sozialen Errungenschaften klein und dankbar.

Osmar, zum Beispiel, berichtet aufgewühlt von seiner ersten und einzigen Ausstellung nach 60 Jahren Arbeit. Sie wurde ein Erfolg, mit dem er nie gerechnet hatte.

Dieser Text erschien in gekürzter Fassung am 15. Juli 2016 in der Sonderbeilage (PDF) zum zweiten taz Panter Workshop mit kubanischen Journalisten.

Este articulo se publicó en una versión cortada el día 15 de Julio 2016 como parte de un suplemento especial (PDF) en occasión del segundo taller de la fundación taz Panter con periodistas cubanos.

Osmar kommt aus zwei Gemeinschaftsprojekten bildender Künstler: „Ruta por una historia“, ein Projekt naiver Maler, die über die kubanischen Provinzen arbeiten, mitt ihren Spielen, religiösen Praktiken, Musikinstrumenten und Arbeitsweisen, und „Ferrocolor“, auch ein Projekt von Autodidakten, aber mit mehr thematischen und stilistischen Freiheiten.

„Ferrocolor“ ist eine Interessengemeinschaft von Besessenen. „Ruta por una historia“ hingegen ist ein lokaler Entwicklungsplan, mit dem die Erinnerung an eine alte Siedlung in der heutigen Gemeinde Mella wieder belebt werden soll. Sein Gründer, der Maler Luís Rodriguez, machte daraus eine touristische Route, die sich durch den Verkauf naiver Kunst finanziert.

Carlos Melián, 37, lebt als freier Journalist in Santiago de Cuba. Einige Jahre hat er bei der staatlichen lokalen Radiostation gearbeitet. Inzwischen schreibt er vor allem für das US-kubanische Magazin Progreso Semanal und das von Radio Netherlands Worldwide unterstützte Internetmedium El Toque.

Carlos Melián, de 37 años, es periodista independiente en Santiago de Cuba. Algunos años trabajaba para la estación local de la radio estatal. Ahora colabora más que todo con el magazin cubano-estadounidense Progreso Semanal y el medio digital El Toque que recibe apoyo de Radio Netherlands worldwide.

Weil es Arbeitsplätze schafft, bekam das Projekt grünes Licht von den lokalen Behörden. Die Künstler hingegen haben bis heute widersprüchlicherweise keine offizielle Genehmigung vom staatlichen Kunstschaffendenregister, um ihre Bilder zu verkaufen.

Osmar verkaufte sein erstes Bild im Juli 2002, aber erst 2010, als er sich der „Ruta por una historia“ anschloss, konnte er regelmäßige Einkünfte verzeichnen. Sein Atelier ist ein schlecht beleuchteter Raum , in dem die Luft steht. Es gehört der staatlichen Kulturgemeindeverwaltung.

Er malt dort politische Plakatwände, patriotische Sprüche, Schilder für Büros oder Toiletten – aber das Atelier ist auch ein Raum für die eigene Kreativität, es gibt ihm ein Festgehalt für die Grundbedürfnisse des Haushalts und die Aussicht auf eine kleine aber sichere Rente.

Aus offizieller Sicht ist Osmar ein illegaler Künstler

Der Verkauf von Bildern ist für ihn eine wichtige zusätzliche Einkommensquelle. Aber aus der Warte des, wenn es um nicht akademisch ausgebildete Künstler geht, selektiven und bürokratischen Kunstschaffendenregisters ist Osmar ein illegaler unabhängiger Künstler. Illegal zu sein ist allerdings normal für die Kubaner, die daran gewöhnt sind, die erstickenden Regeln brechen zu müssen, um ihrer Familie ein bisschen Lebensqualität sichern zu können.

Die „Nur-naive-Kunst“-Regeln der „Ruta por la historia“ sind genauso streng. Osmar selbst sieht sich nicht als naiven Maler, sondern als Volkskünstler. Er wollte unabhängig eigene Formen ausprobieren. Normalerweise kommen in seinen Bilder Menschen vor, die hier jeder kennt – der Verrückte vom Marktplatz zum Beispiel.

Ene Malerei zeigt eine Straßenszene in Kuba mit einem alten roten Chevrolet

Ausschnitt aus einem Gemälde von Osmar Peña: Er fotografiert und malt nach den Fotos Foto: Bernd Pickert

Er brauchte für seinen Lebenslauf eine eigene Ausstellung, und er entschied sich, eine ganze Serie mit bekannten Persönlichkeiten aus San Luis zu gestalten, denen niemand eine Gedenkveranstaltung widmen würde: Bettler, Säufer oder Scharlatane, die er fotografierte und später die Fotografien malte.

Es war sehr unwahrscheinlich, dass seine Bilder Aufsehen erregen würden. Theoretisch hätte sich niemand, erst recht nicht aus dem Ausland, für die Bilder interessieren dürfen – San Luis ist ein staubiges Nest 30 Kilometer außerhalb von Santiago de Cuba.

Ein Italiener kaufte die gesamte Ausstellung

Es kam anders. Kaum hatte er die Bilder gesehen, kaufte ein italienischer Maler nameens Benamino Minella zu sehr günstigen Preisen praktisch die gesamte Ausstellung. Er sagt: „Osmar hat die Fähigkeit, die Wirklichkeit zu erkennen, zu träumen und diesen Traum zu malen.“

Der Italiener begeistert sich leidenschaftlich für Osmars Poesie, seine Reinheit, seine Berufung zum Volkserzähler, aber ihn interessiert auch Osmars Streben nach Unabhängigkeit. Seine Aufholjagd, sein Wille, sich von der Gruppe der naiven Maler abzusetzen, läuft dem gängigen Image von der Trägheit der Revolution zuwider.

Mit der symbolischen und wirtschaftlichen Schwächung des allmächtigen Staates nach dem Fall der Sowjetunion haben Osmar und tausende anderer Kubaner die Notwendigkeit erkannt, innovative eigene Entwicklungswege zu gehen. Osmar sagt: „Die Wege haben sich mir eröffnet, weil ich sie gesucht habe.“

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Versión original:

Problemas para un pintor ingenuo

Si Osmar Peña se quiere dar unos tragos, se los da en el taller; si quiere seguir el béisbol, lo sigue por radio desde el taller. Allí, con letrina y baño adosado, hace un 80 por ciento de su vida, incluyendo los domingos; tiene esposa, cuatro hijos, y una suegra, pero a su casa solo va a comer y a dormir.

Es normal que en cualquier parte del mundo un hombre con expectativas reales como Osmar resalte en la multitud. En Cuba esta excepcionalidad se acentúa más, su sistema social generó tanta seguridad como inercia. Los proyectos individuales eran bloqueados, o empalidecían ante los colectivos y a menudo el hombre, frente a la inmensa obra social, se sentía demasiado pequeño y agradecido. Osmar, por ejemplo, se emociona cuando habla de su primera y única exposición hecha después de los 60 años, con ella ha descubierto un potencial de éxito que nunca sospechó.

Osmar proviene de dos proyectos comunitarios de artes plásticas: “Ruta por una historia“, de pintores naif que recrean estampas sobre la Cuba de provincias, con sus juegos, prácticas religiosas, instrumentos de música y de trabajo; y el “Ferrocolor“, también de autodidactas, pero con libertad de temáticas y de estilos.

“Ferrocolor“ es un círculo de interés para aficionados. “Ruta por una historia“, es un plan de desarrollo local basado en recuperar la memoria de un antiguo asentamiento de suecos azucareros en el actual municipio Mella. Su fundador, el pintor Luís Rodrigues, creó una ruta turística que se autofinancia con la comercialización del arte naif. Un proyecto con luz verde entre las autoridades de la provincia porque genera puestos de trabajo, pero contradictoriamente sus pintores no poseen el permiso oficial de venta que emite el estatal Registro del Creador.

Osmar vendió su primera obra en julio del 2002, pero no fue hasta el 2010, al incorporarse a “Ruta por una historia“, que estabilizó esa fuente de ingresos. Su taller es un cuartico poco iluminado y sin ventilación, perteneciente a la estatal Dirección Municipal de Cultura. Un puesto en el que pinta consignas políticas, frases patrióticas, así como señalizaciones para oficinas y baños, pero le facilita un espacio de creación, un sueldo fijo para los gastos más básicos del hogar, y un salario de retiro, pequeño, pero seguro.

La venta de cuadros representa una fuente de ingresos importante, pero técnicamente Osmar es un artista independiente ilegal, ante un Registro del Creador altamente selectivo y burocrático cuando se trata de pintores no formados en academias. La ilegalidad, por demás, es una figura bastante común en la vida de los cubanos, quienes para vestir y darle una modesta calidad de vida a su familia, se ven empujados a romper con las asfixiantes reglas.

Igual de estrechas son las reglas de solo-arte-naif, que caracteriza a “Ruta por una historia“. El propio Osmar no se considera un pintor naif, sino un pintor popular, así que quiso experimentar, de forma independiente, otra vía de realización. Usualmente un cuadro suyo llamaba la atención entre gente a la que conocía por incluir en él a un loco deambulante del pueblo. Necesitaba una expo personal para hacer currículo y decidió armar su primera serie con personajes de San Luís a los que nadie le dedicaría una misa: mendigos, borrachos o charlatanes que fotografiaba y luego pintaba buscando el parecido.

Lo improbable es que los cuadros de Osmar despertaran atención. Nadie de fuera debería teóricamente interesarse por ellos siendo San Luís un pueblo polvoriento y sin importancia a unos 30 km de Santiago de Cuba. No fue así. Apenas vio sus cuadros un pintor italiano llamado Beniamino Minnella, compró compulsivamente, a precios muy bajos, casi toda la exposición. Pues alega Minnella: “Osmar tiene la capacidad de ver la realidad, soñarla, y luego pintar ese sueño“.

El italiano celebra con pasión la poesía de Osmar, su pureza, su vocación de narrador popular, pero igual de interesante es su pulsión de independencia. Su actual remontada, esas ansias por separarse del pelotón de pintores naif, viaja en dirección contraria al imaginario en inercia de la Revolución.

En la debilitación simbólica y económica del alcance del Estado que sobrevino después de la caída de la URSS, Osmar y cientos de miles de cubanos van encontrando la necesidad de innovar y de abrir nuevas rutas, rutas propias de desarrollo. Pues según Osmar: “Los caminos se me han abierto porque yo los he buscado“.

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