Strafgeld für Umweltschutz: Ein luftiger Sieg

Das Verwaltungsgericht hat Hamburg zu einem Zwangsgeldchen von 5.000 Euro verurteilt, weil der Senat sich nicht genug um saubere Luft bemüht

„Atmen kann tödlich sein“: Aktivisten des BUND demonstrieren für bessere Luft in Hamburg Foto: dpa

HAMBURG taz | Hamburg muss kurzfristig einen neuen Luftreinhalteplan mit einschneidenden Beschränkungen des Schadstoffausstoßes vorlegen. Ansonsten wird ein Zwangsgeld fällig, urteilte am Donnerstag das Verwaltungsgericht Hamburg. Die zunächst verhängte symbolische Summe von 5.000 Euro kann drastisch erhöht werden, wenn die Stadt weiterhin untätig bleibt. Vor allem aber bedeutet diese Entscheidung massiven politischen Druck, für saubere Luft zum Atmen in Hamburg zu sorgen.

Auf Klage der Umweltorganisation BUND befand das Gericht, Hamburg müsse bis zum 30. Juni 2017 den bisherigen Luftreinhalteplan so fortschreiben, dass dieser „die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung“ der Grenzwerte für Stickoxide (NO2) in der Atemluft einleite. Stickstoffdioxid gilt als Auslöser für Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Krankheiten. Dies aber habe die Stadt bisher versäumt, so das Gericht nun, weil sie „ihrer Verpflichtung aus dem Urteil vom 5. November 2014 nicht hinreichend nachkommt“.

Damals hatte dieselbe Kammer des Verwaltungsgerichts auf Klage des BUND und eines privaten Klägers verlangt, in den seit 2012 bestehenden Luftreinhalteplan umgehend Maßnahmen zur Senkung von Schadstoffemissionen aufzunehmen. Bereits seit 2010 verstößt Hamburg dauerhaft gegen die entsprechenden EU-Grenzwerte für die Schadstoffbelastung in der Atemluft. Nach Berechnungen des BUND sind mehr als 200.000 HamburgerInnen davon betroffen.

Im Jahresdurchschnitt liegt die Belastung an den Messstationen Habichtstraße und Max-Brauer-Allee bei über 60 Mikrogramm pro Kubikmeter Atemluft, an der Kieler und der Stresemannstraße knapp unter 50 Mikrogramm. Der Grenzwert liegt bei lediglich 40 Mikrogramm. Daran hat sich seit 2010 im Grundsatz nichts geändert, wenngleich die Umweltbehörde im vorigen Jahr beteuerte, bereits an einem neuen Plan zu arbeiten.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 5. November 2014 verpflichtet den Senat zum Handeln. Eine konkrete Vorgabe wie die Einführung einer Umweltzone machte das Gericht nicht.

Rechtskräftig ist das Urteil seit April 2015. Weil der Senat dennoch keine Maßnahmen unternahm, beantragte der BUND im März 2016 die Verhängung von Zwangsgeld gegen die Stadt.

Stickstoffdioxid gilt als Auslöser für Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Krankheiten. Für etwa drei Viertel dieser Emissionen ist unstrittig der Autoverkehr verantwortlich.

An vier von 16 Luftmessstellen in der Stadt werden die Grenzwerte permanent um bis zu 50 Prozent überschritten.

Das aber gehe viel zu langsam, so Braasch damals, zudem enthielten die Pläne nur unzureichende Maßnahmen. In der Umweltbehörde, ist der BUND-Chef überzeugt, werde „das Thema Luftreinhaltung verschleppt“. Die will einen neuen Luftreinhalteplan nämlich erst im Herbst 2017 vorstellen. „Zweieinhalb Jahre nach dem Urteil: Das ist nicht ‚möglichst schnell‘, wie es das Gericht fordert“, so Braasch.

Maßnahmen wie „die Verdoppelung des Radverkehrs bis 2020“ oder „der Einstieg in Landstrom-Angebote für Containerschiffe“ seien nicht zielführend. „Es müssen drastische Maßnahmen ergriffen werden“, sagte Braasch und nannte Fahrverbote, Tempolimits und Umweltzone als Beispiele. 2015 hatten hessische Verwaltungsgerichte die Städte Wiesbaden und Darmstadt wegen mangelnder Bemühungen zur Luftreinhaltung zu Zwangsgeldern und „verkehrsbeschränkenden Maßnahmen“ wie „Einführung eines Bürgertickets, einer City-Maut und eines Durchfahrtverbots für Dieselfahrzeuge“ verurteilt.

Braasch sieht sich nun durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt. „Der Senat und die zuständigen Fachbehörden tun zu wenig für die Luftreinhaltung in Hamburg.“ Aus seiner Sicht dürften „ordnungspolitische Maßnahmen“ wie Umweltzonen, Blaue Öko-Plakette und Fahrverbote für Dieselautos „kein Tabu sein“.

Fahrverbote für Diesel hatte der grüne Umweltsenator Jens Kerstan zu Wochenbeginn ins Gespräch gebracht, bevor er am Donnerstagmorgen nach Mallorca in den Urlaub düste. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) widersprach. „Fahrverbote sind mit mir nicht zu machen“, sagte Scholz. Es sei denn, die Gerichte sehen das anders.

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