Flüchtlingsunterbringung in Hamburg: Einigung in letzter Minute

Ein polarisierender Volksentscheid ist abgewendet: Landesregierung und Helfer-Initiativen einigen sich auf dezentrale Unterbringung.

Haben sich nun richtig lieb: Klaus Schomacker, Sprecher der Volksini, Andreas Dressel und Anjes Tjarks (v.l.n.r.) Foto: Lukas Schulze/dpa

HAMBURG taz | Sie sind, so scheint es, inzwischen so ziemlich beste Freunde. „Immer wieder haben die beiden deeskaliert, immer zielführend und zielgerichtet verhandelt“, lobte Klaus Schomacker, Sprecher der Volksinitiative gegen große Flüchtlingsunterkünfte, am Dienstag das gegnerische „A-Team“. A steht für Andreas (Dressel) und Anjes (Tjarks), das Fraktionsführer-Duo der rot-grünen Koalition.

Die gaben die Komplimente artig an Schomacker zurück, ehe alle das gemeinsam Erreichte feierten: Nach wochenlangen Verhandlungen haben sich Landesregierung und der Initiativen-Dachverband „Hamburg für gute Integration“ auf die künftige Flüchtlingsunterbringung in Hamburg geeinigt.

Ein Volksentscheid zum Thema ist damit vom Tisch. „Der hätte in eine Polarisierung geführt, die niemand haben will“, sagte Dressel. Stattdessen gebe es nun, so Tjarks, eine „große Friedensstiftung in der Stadt.“ „Ich bin froh, dass wir das Thema nicht den rechten Populisten überlassen haben“, betonte Harald Lübkert von der Initiative, die stets darauf geachtet hatte, sich von AfD-nahen Strömungen abzugrenzen.

Kernpunkt des 134-seitigen Vertrags zwischen der rot-grünen Koalition und dem Dachverband ist, dass dezentrale Folgeunterkünfte für nicht mehr als 300 Menschen geschaffen werden. Allerdings geht es dabei nicht mehr um Höchstgrenzen wie sie der Dachverband gefordert hatte, sondern um Durchschnittswerte. Die müssen nicht sofort, sondern erst Ende 2019 erreicht werden. Und die Belegungszahlen hängen letztlich davon ab, wie viele Geflüchtete in Zukunft nach Hamburg kommen und hier bleiben. Bereits gebaute, größere Einrichtungen genießen Bestandsschutz und sollen langsam abschmelzen.

Zeitplan: Schon am heutigen Mittwoch soll die Bürgerschaft über den 134-Seiten-Antrag abstimmen, nachdem die Regierungsfraktionen am Montag bereits einstimmig zustimmten. Wegen gesetzlicher Fristen musste noch vor der Sommerpause eine Einigung gefunden werden, um den Volksentscheid zu verhindern.

Eile: Während die Opposition beklagte, sie müsse binnen eines Tages das Mammut-Papier lesen und bewerten, forderte die Initiative Linke, CDU und FDP auf „bitte zuzustimmen“. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel sagte, mit einer weiteren Hängepartie wäre „niemand gedient gewesen“.

Abschottung: Dass ohne den drastischen Rückgang der Flüchtlingszahlen aufgrund der Schließung der Balkanroute „dieser Vertrag und kleinere Unterkünfte so nicht möglich gewesen wären“, stellten am Dienstag SPD und Grüne klar.

Im Laufe der Verhandlungen wurden Szenarien mit unterschiedlichen Flüchtlingszahlen durchgerechnet. Herausgekommen ist ein Verteilungsschlüssel für Hamburg. Statt starrer Höchstgrenzen gibt es nun „flexible Formeln, die den Vertrag atmen lassen“, sagte Dressel. Es soll bis zu 300 Folgeeinrichtungen in Hamburg geben. Derzeit gibt es rund 170. Weg vom Fenster ist die Forderung der Initiative, der Mindestabstand zwischen einzelnen Folgeunterbringungen müsse einen Kilometer betragen.

Durchgesetzt hat sich die Initiative damit, dass viele der geplanten Flüchtlingssiedlungen kleiner als geplant ausfallen. Die Unterbringung der Schutzsuchenden werde „insgesamt dezentraler und kleiner als vom Senat geplant“ ausfallen, sagte Schomacker. Außerdem werde es mehr Einzelmaßnahmen für die Kita-Versorgung, die Beschulung und die Integration der Neu-Hamburger in den Arbeitsmarkt geben.

Elf Bürgerverträge zwischen der Stadt und den lokalen Initiativen regeln die Details. Nur bei der auch ökologisch umstrittenen Bebauung der Hummelsbüttler Feldmark kam eine Einigung nicht zustande – hier sollen nun die Gerichte entscheiden.

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