Geburt & Gerechtigkeit: Randale im Kreißsaal

Bremer Amtsgericht verurteilt einen 25-Jährigen zu einer Geldstrafe, der sich Polizei widersetzt hat, die ihm die Geburt seiner Tochter vorenthalten wollte

Im Kreißsaal dürfen nur Babys schreien. Foto: Daniel Karmann (dpa)

BREMEN taz | Die größte Strafe hat Mohamad J. schon hinter sich. Weil er im Kreißsaal randalierte, durfte er im vergangenen Jahr nicht bei der Geburt seiner Tochter dabei sein. Am Montag verurteilte ihn das Amtsgericht zu einer Geldstrafe. 850 Euro muss der 25-Jährige dafür zahlen, dass er sich der Polizei widersetzte, als diese ihn aus dem Krankenhaus bringen wollte. Zudem beleidigte er sie unter anderem als „deutsche Scheißbullen“. In das Urteil fließt eine Strafe wegen eines anderes Delikts ein.

Dass er sich nicht ganz korrekt verhalten hat, räumt J. vor Gericht ein. „Ich war sauer, ich war hilflos, ich bereue das alles, aber man kann es nicht rückgängig machen.“ Schuld waren aber trotzdem irgendwie eher die anderen. Die Polizisten – und seine Schwiegermutter. Die wollte ihn am Morgen des 9. Mai nicht mit ins Krankenhaus nehmen, als die Wehen bei ihrer Tochter einsetzten. J., der zu dem Zeitpunkt, neun Uhr morgens, noch mit Freunden „unterwegs“ war, schien ihr nicht die richtige Hilfe bei einer Geburt zu sein. „Vier bis fünf Flaschen Wodka“ hatte er sich mit vier Freunden geteilt. „Und ich hab noch was gezogen gehabt, Koks“, berichtet J. vor Gericht. „Aber ich konnte noch laufen!“ Ob er sich denn noch an die Nacht davor erinnere, will die Richterin von ihm wissen. „An Abschnitte.“

Im Taxi zur Klinik in Bremen Nord zündete er sich eine Zigarette an – was die Schwiegermutter erzürnte. „Sie hat was gesagt, ich hab was gesagt“, erklärt J. Die Situation eskalierte. „Ich wollte, dass meine Schwiegermutter nach Hause fährt.“ Vor dem Krankenhaus, so rekonstruiert es das Gericht, stritten die beiden weiter. Personen, die das Geschehen beobachteten, riefen die Polizei.

Mit „Scheißbullen, was wollt ihr“, seien er und seine Kollegin begrüßt worden, erzählt ein Polizist. Der Tatort hatte sich mittlerweile in den Kreißsaal verlagert, wo J.s Lebensgefährtin versuchte, ihr zweites Kind zu gebären. Auf Rat des Klinikpersonals habe man J. zunächst noch eine Chance gegeben.

Doch weil auch die GeburtshelferInnen J.s Anwesenheit als störend empfanden, habe er ihm gesagt, dass er jetzt gehen müsse, so der Polizist. Eine Mitarbeiterin der Klinik habe diese Einschätzung bestätigt, sagte eine Sprecherin des Gerichts. „Er ließ nicht mit sich reden und hat sich nicht beruhigt.“

Also forderte der Polizist Verstärkung an – und die trug ihrerseits offenbar nicht viel zur Deeskalation bei. „Eine Horde Polizisten“ sei plötzlich auf ihn zugekommen, erzählt J. vor Gericht. Einer habe ihn zu Fall gebracht, dann hätten sie ihn an Händen und Füßen gefesselt nach draußen getragen. Erst am Abend sei er aus dem Gewahrsam entlassen worden. Vorher hätten ihm die Polizisten mitgeteilt, dass er Vater eines gesunden Mädchens geworden sei.

Der Einsatzleiter, der ebenfalls aussagte, begründet seine Entscheidung, mit einer größeren Einheit anzurücken, damit, dass es sich um einen besonders sensiblen Bereich gehandelt habe. Zudem hätten auch in den Nebenzimmern Frauen „vor der Niederkunft“ gestanden. Noch ein Jahr später kann sich der 57-jährige Beamte über den Vorfall aufregen und empört sich darüber, dass J. sich nicht für sein Verhalten entschuldigt.

Ganz zum Schluss fragt die Richterin seinen Kollegen dann noch, ob er den Eindruck hatte, J.s Freundin habe J. bei der Geburt dabeihaben wollen. „Sie hat geweint und war überfordert“, sagt der Polizist. Wie es ihr ging und was sie brauchte – das haben sie damals offenbar weder ihr Freund noch die Polizisten gefragt.

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