Griechenland beschließt Austerität: Weniger Rente, dafür mehr Steuern

Trotz Streiks und Empörung hat die Regierung weitere Austeritätspolitik durchgesetzt. Damit will Tsipras ein Zeichen setzen. Aber welches?

Alexis Tsipras winkt

Eine taktische Finte? Alexis Tsipras im griechischen Parlament (Archivbild) Foto: reuters

ATHEN taz/ap | Aktuelle Informationen und Details zu den Rentenkürzungen haben die Griechen kaum mitbekommen, da wegen eines kurzfristig angesetzten Journalistenstreiks alle Nachrichtensendungen am Wochenende ausgefallen sind. Die Volksvertreter debattierten fast im Geheimen, aber in hohen Tönen.

„Du kommst ins Gefängnis“, drohte etwa Oppositionssprecher Georgiadis dem stellvertretenden Gesundheitsminister Polakis. Der wiederum revanchierte sich mit der vieldeutigen Warnung: „Mal sehen, wo du dich verstecken wirst …“ Sozialminister Katrougalos erklärte, er sei stolz auf seine Reform, die das marode Rentensystem Griechenlands saniere und für soziale Gerechtigkeit sorge.

Das griechische Parlament in Athen stimmte am Sonntag Abend mit knapper Mehrheit neuen Sparmaßnahmen zu, die die internationalen Kreditgeber im Gegenzug für ein drittes Hilfspaket gefordert haben. Alle 153 Abgeordneten der Regierungskoalition von Ministerpräsident Alexis Tsipras stimmten am Sonntagabend für das Gesetzespaket, das Reformen der Renten- und Steuersysteme in Griechenland vorsieht. Die Opposition in dem 300 Mitglieder großen Parlament votierte geschlossen dagegen.

Tausende Griechen demonstrierten vor der Abstimmung gegen die Maßnahmen, die höhere Sozialabgaben und Steuern nach sich ziehen werden. Eine kleine Gruppe von Anarchisten mischte sich am Sonntag unter rund 10 000 friedliche Demonstranten und warf Brandsätze, Stühle und Holzplanken auf die Beamten. Die Polizei setzte Blendgranaten und Tränengas ein. Neun Personen wurden festgenommen.

Eckpunkte der Reformvorlage: Die Sozialbeiträge steigen kräftig, vor allem für Landwirte und Freiberufler. Frührentnern drohen hohe Abschläge. Ruheständler, die weiterhin arbeiten, müssen 60 Prozent ihrer Rente an den Fiskus abführen. Die Solidaritätszulage (Ekas) für Geringverdienende wird stufenweise bis 2019 abgeschafft.

Debatte verschoben

Eine Grundpension von 384 Euro im Monat wird eingeführt, Rentenkürzungen in Höhe von 3 Milliarden sind bis 2019 vorgesehen. Für alle, die ab 2016 in Rente gehen, bringt die Reform Einschnitte von bis zu 30 Prozent. Trotzdem behauptet Sozialminister Katrougalos, neun von zehn Verdienenden würden nach der Reform besser dastehen als zuvor.

Bis 2019 sind Rentenkürzungen in Höhe von 3 Milliarden Euro vorgesehen

Nach monatelangem Zögern hatte Linkspremier Tsipras sein Reformkonzept Ende April ins Parlament eingebracht, die Debatte darüber jedoch verschoben. Vermutlich wollte er die Zustimmung der Geldgeber abwarten, die immer noch nicht vorliegt. Trotzdem lässt der Regierungschef nun seine Reform von den Volksvertretern absegnen, rechtzeitig zum Montagstreffen der Euro-Finanzminister in Brüssel.

Damit will Tsipras ein Zeichen setzen. Aber welches? Daran scheiden sich die Geister. Linkskommentatoren sprechen von einer taktischen Finte des Premiers Tsipras, der noch vor dem Treffen der Eurogruppe eine wichtige Reform verabschiedet und sich damit Freiräume für die eigene Agenda schafft: die Forderung nach einer Schuldenregelung für Hellas. Die auflagenstärkste Athener Zeitung Ta Nea sieht das anders: Griechenland stehen „heiße“ Tage bevor, da die Regierung „überraschend und ohne Einigung mit den Geldgebern“ diese Rentenreform dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt hat.

Nicht zuletzt die in den Osterferien verweilenden Gewerkschaften wurden von der hastig angekündigten Parlamentsabstimmung überrascht. Aber sie haben schnell reagiert: am Freitag und Samstag wurde Hellas von einem zweitägigen Generalstreik gelähmt, Eisenbahner, Seeleute und andere Berufsgruppen wollen noch länger streiken. „No pasarán“ und „Wir wollen eine Rente, kein Trinkgeld“ hieß es auf Protestplakaten. In Thessaloniki demonstrierten Linksaktivisten vor der Geschäftsstelle der Syriza-Partei. Athens größte Parkanlage, die direkt an das Parlament angrenzt, blieb am Wochenende für das Publikum geschlossen- aus Angst vor Ausschreitungen.

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