Kolumne Über Ball und die Welt: Der große Plan

Die Volksrepublik China will Weltfußballmacht werden. Bis 2022 sollen drei chinesische Vereinsmannschaften zur Weltklasse gehören.

Chinesischer Fußballer schießt Ball

Der große Sprung nach vorn Foto: ap

Wenn es um Pläne und Planwirtschaft geht, wird ja gern aus Brechts „Dreigroschenoper“ zitiert: „Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch 'nen zweiten Plan, geh’n tun sie beide nicht“. Dieses abendländische Wissen scheint in China nicht angekommen zu sein, denn die Volksrepublik hat in diesen Tagen einen Plan vorgestellt, wie sie bis 2050 Weltfußballmacht werden wird: Bis 2020 soll es in China 50 Millionen ausgebildete und registrierte Fußballspieler geben, davon drei Fünftel Schüler.

In jedem Kreis werden mindestens zwei Fußballanlagen errichtet, dazu muss in jeder neuen Wohnanlage ein Fußballfeld geschaffen werden. Kurze Zeit später, bis etwa 2022, soll es in China bereits zwei bis drei Weltklassevereinsmannschaften geben. 2030 soll dann die Nationalmannschaft zu den asiatischen Spitzenmannschaften gehören. Und zwanzig Jahre später wird dann die Männerauswahl den Weltfußball dominieren. Vom Frauenteam wird das übrigens schon ab 2030 erwartet.

Dieser glasklare Plan stammt von der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission, dem chinesischen Fußballverband, der nationalen Sportbehörde und dem Bildungsministerium. Von ganz oben kommt das also, was am Montag veröffentlicht wurde. Man kann es unter zwei Gesichtspunkten betrachten: Schaffen die das? Und: Warum machen die so was? Zur Frage der Realisierbarkeit hat sich Liu Xiaoxin geäußert, ein chinesischer Fußballjournalist: „China ist bereits jetzt auf dem fünften oder sechsten Platz in Asien.

Da ist es nicht sehr schwierig, in 14 Jahren unter den asiatischen Topteams zu sein – wenn die Ausbildung der Jugendlichen systematisch verbessert wird.“ Aber, fügt er hinzu: „Bis zum Jahr 2050 ein Weltklasseteam zu sein ist viel schwieriger.“ Auch Japan und Südkorea seien trotz ihrer Erfolge bei den vergangenen Weltmeisterschaften keineswegs Weltklasseteams.

Staatspräsident als Kind mit Freude gekickt

Ob im Jahr 2050 Nationalmannschaften – im Vergleich zu ihren Konkurrenten, den ökonomisch mächtigen Klubs, die sich derzeit in Europa ballen – noch eine ähnlich starke Stellung haben werden, wird in China erstaunlicherweise nicht diskutiert. Vielleicht hat die Volksrepublik dann die beste Nationalmannschaft des Globus, wenn Weltmeisterschaften nur noch einen Stellenwert wie das U23-Turnier bei Olympia haben, also einen, für den man nicht mal die Liga unterbricht.

Was China, das sich ja auf dem Sprung auch zur ökonomischen Weltmacht sieht, antreibt, den Fußball derart zu fördern, ist eine noch diffizilere Frage. Als Antwort liest man meist nur, dass Xi Jinping, der Generalsekretär der KP China und Staatspräsident, ein Fußballfan ist, als Kind mit Freude gekickt hat.

Nun werden zur Erklärung politischer Projekte zwar gern persönliche Marotten und biografische Details herangezogen, bloß: Sie taugen eigentlich überhaupt nie. Warum sollte und könnte sich einer, der nicht das in China viel populärere Tischtennis protegiert, sportpolitisch mit seiner privaten Fußballleidenschaft durchsetzen? Und zwar gleich mit einem derartigen Mammutprojekt?

Die Antwort dürfte nicht in der Person Xi, sondern im Fußball selbst liegen, das heißt, in der Attraktivität, die dieser Weltsport Nummer eins mittlerweile für alle Gesellschaften besitzt. Fußball ist so attraktiv wie ein Formel-1-Rennen oder Olympische Spiele: Dass es 2004 diese zwei Megaevents erstmals in China gab, macht plausibel, dass Weltklassefußball folgen muss.

Und ob die Chinesen das schaffen, liegt nun fast nur noch daran, welche Macht von einem wuchtigen Plan auszugehen vermag.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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