Panama Papers in Russland: Kein Gesprächsbedarf

In den Dokumenten fehlt der Name von Präsident Putin. Dafür taucht dessen Freund, der Cellist, Sergej Roldugin auf. Ein wahrer Philantrop.

Porträt Wladimir Putin.

Will von Korruption nichts wissen: Russlands Präsident Wladimir Putin Foto: ap

MOSKAU taz | Fünf Tage ließ Russlands Präsident Wladimir Putin verstreichen, bevor er sich öffentlich zum Thema äußerte. Dazu wählte er ein Medientreffen russischer Journalisten aus der Provinz. „Welches Korruptionselement? Da gibt es nichts“, meinte er auf die vorsichtige Frage eines Nachwuchstalentes. „Die Journalisten durchkämmten diese Offshore-Konten, und Ihr demütiger Diener ist nicht dabei“, hielt er fest und fragte rhetorisch: „Worüber soll man noch sprechen?“

Putin hat recht. In den Millionen Dokumenten der Datenbank taucht sein Name nicht auf. Verärgert war der Kremlchef aber schon. Die Konsonanten des Russischen knallten wie Schüsse in seinen Worten.

Auch wenn verspätete und selektive Berichterstattung in russischen Medien die Vermutung nährte, hinter den Kremlmauern herrsche Angst. Erstarrt waren die Mächtigen nicht. Die Medien-Offiziere warteten nur auf Anweisungen, wie mit dem Material zu verfahren sei.

Statt Putin tauchte in den Papieren Freund Sergei Roldugin auf. Schöngeist und bekannter Cellist. Über drei Briefkastenfirmen soll er 2 Milliarden Dollar an den Putin-Clan verteilt haben.

Brillanter Musiker und Philanthrop

Eine Behauptung, der Putin widerspricht. Roldugin sei ein brillanter Musiker, der zwar Geld verdiene, aber keine Milliarden. Kurzum, ein Philanthrop, der das Privatvermögen einsetze, um Instrumente für den Nachwuchs aus dem Ausland zu beschaffen.

Das politische TV-Magazin „Vesti nedeli“ rückte am Sonntag Verdächtigungen der letzten Woche zurecht: Moskaus Chefpropagandist Dmitrij Kiseljow zeichnete den Putin-Freund als Idealisten. Selbstlos und bescheiden wie die politische Führung – das war die eigentliche Botschaft.

Tatsächlich wolle Washington mit dem Panama-Komplott Offshore-Paradiese austrocknen und das Kapital zwingen, sich in US-Steueroasen niederzulassen, zwecks endgültiger Kontrolle, erzählte Kiseljow. Er deutete es nur an. Offshore-Verstecken nachzuspüren, könnte nationale Interessen berühren....Von dort ist es dann nicht mehr weit bis zum Verratsvorwurf.

Noch vor dem Ende der UdSSR erschloss sich der Geheimdienst KGB die Vorzüge des Offshore-Handels. Dabei nutzte er das Preisgefälle für Rohstoffe daheim und auf dem Weltmarkt. Grenzen zwischen Geheimdienst, Staat und Mafia erkennen seither nur geübte Landvermesser.

Mickrige Ausbeute

Der hohe Aufwand, mit dem sich der Kreml zu rechtfertigen sucht, wäre gar nicht erforderlich. Russland war perplex, zugegeben. Der Grund dafür war jedoch die mickrigen Ausbeute. Enttäuscht schrieb die Bloggerszene: „Müde zwei Milliarden“.

Bereits 2007 hatte der Politologe Stanislaw Belkowski Putins Vermögen auf 40 Milliarden Dollar geschätzt, spätere Hochrechnungen reichten gar bis 200 Milliarden. Genauer beziffern lässt sich das vermutete Imperium nicht. Der ungehinderte Zugriff auf alle Ressourcen eines autoritären Staates lässt die Dimensionen aber erahnen.

„Putin nimmt sich, was er will“, schrieb die Russlandexpertin Karin Dawisha, die jahrelang über die Kreml-Kleptokratie forschte. „Wären die Offshore-Gelder an alleinstehende Mütter geflossen, dann hätte es uns überrascht“, erläutert der Publizist Dmitri Bykow. Niemand erwartet von den Mächtigen Ehrlichkeit. Wären sie aufrichtig, „würden wir sie dann so verehren?“, fragt er ironisch.

Die Mehrheit der Russen ist davon überzeugt, dass jeder, der die Chance hat, so viel wie möglich stehle und dies nie bewiesen werden könne. Die Gesellschaft lebt in der Gewissheit, Russland sei durchweg korrupt. Grenzen zwischen Erlaubtem und Verbotenem verschwimmen. Daraus entstehe ein eigenartiges Gleichgewicht, das korrupte Regime lange an der Macht halten könne, sagt der Journalist Kirill Rogow.

Ein Einzeller

Noch immer trifft die Zeile eines populären Gedichts aus sozialistischen Zeiten die grundlegende Haltung: „Wer nicht stiehlt, ist auch kein echter Mann, ein Einzeller ist er.“

Dahinter steht eine auch heute noch gültige Lebensauffassung: Von einem Mann wird erwartet, dass er sein Amt nutzt, um Familie und Freunden Vorteile zu verschaffen. Wer dies missachtet, begeht eine Schande. Sie wiegt schwerer als ein Rechtsverstoß. Nur wenige Partnerinnen akzeptieren eine „Schwäche“, weil das Gesetz davor steht. Die Betonung traditioneller Werte fördert diese Haltung zurzeit eher noch.

Die Ursachen der alles durchdringenden Korruption liegen in der russischen Geschichte und dem Prinzip der „kormlenije“ (Fütterung). Staatsbedienstete bezogen nur geringe Saläre, erhielten im Gegenzug aber die Möglichkeit, Untergebene zur Ader zu lassen. Zulässig war der Nebenverdienst offiziell nicht. Das machte den Beamten erpressbar und der Herrschaft gegenüber loyal.

Dieser Mechanismus wirkt bis heute. Staatsdienst galt seit je als ein Weg zur Bereicherung. Er ist begehrt, da er nicht nur Gewinne garantiert, sondern Eigentum auch sichern hilft. Vor fremdem Zugriff, nicht unbedingt vor Begehrlichkeiten der eigenen Kaste.

Sicherung des Besitzes

Die Angst, des Eigentums verlustig zu gehen, treibt Russland seit Jahrhunderten um und viele Unternehmen heute in die Offshore-Welten. Sicherung des Besitzes steht im Vordergrund, nicht das Sparen von Steuern. Kremlchef Putin hat die Rückkehr der Unternehmen nach Russland angeordnet. Dem Aufruf zur „Nationalisierung“ sind einige Oligarchen gefolgt. Das Gros dürfte sich weiter mit Firmengeflechten in Offshore-Paradiesen verstecken. Ehefrauen, Familien und Geliebte leben längst im „verruchten“ Westen.

Die Millionärsmeile vor den Toren Moskaus ist fast verwaist. Nur einer soll wie eh und je morgens durch den gläsernen Boden Krokodilen beim Frühstücken zuschauen. Es soll ihn beruhigen, erzählt man sich.

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