Nachruf Merle Haggard: Bariton, Blick nach unten

Wortkarg und äußerst anschaulich: Der am Mittwoch verstorbene Country-Sänger Merle Haggard war authentisch und stilprägend.

Ein Mann mit Gitarre an einem See

Merle Haggard im Jahr 2007 Foto: ap

„Drei Akkorde und die Wahrheit“, so charakterisierte Johnny Cash das Wesen von Countrymusik. Einer, der Johnny Cashs regelmäßigen Konzerten im Zuchthaus von San Quentin beiwohnte, war Merle Haggard. Er saß dort eine dreijährige Jugendhaftstrafe wegen verschiedener Einbruchsdelikte ab. Ein Konzert von Cash in San Quentin brachte 1958 die Wende in Haggards Leben. Er brachte sich das Gitarrespielen bei und schulte seine Stimme.

Nach seiner Entlassung 1960 begann Haggard Auftritte in der kalifornischen Kleinstadt Bakersfield zu absolvieren – dort, wo er 1937 auch geboren wurde. Seine Familie war während der Großen Depression aus Oklahoma nach Kalifornien migriert. Sie lebten in einem Lieferwagen. Sein Vater starb, als Haggard neun Jahre alt war.

In seinen eigenen Songs kehrte Haggard zu den Begebenheiten seiner Kindheit zurück. Er phrasierte mit der Stimme und jodelte, wie er es von den Country-Urvätern Lefty Frizzell und Hank Williams gehört hatte. Haggards eigene Songs dauerten selten länger als zweieinhalb Minuten, aber er schaffte es, darin das unstete Leben wie kein Zweiter zu besingen: Wortkarg und äußerst anschaulich schilderte er die Härten.

„First thing I remember knowing/ Is a lonesome whistle blowin’„, hob er in seinem Song „Mama tried“ an, der den Abstiegs eines Wanderarbeiters beschreibt, der auf einen Güterzug aufspringt und bald im Gefängnis landet. Mit seiner sonoren Baritonstimme nahm Haggard seine Zuhörer sofort für sich ein und jubelte ihnen auch unangenehme Wahrheiten unter. Zu den Hits, die er ab den Sechzigern landete, zählt „Okie from Muskogee“, der der kitschigen Weltumarmung der Hippies eine Absage erteilt.

Eine Spezialität Haggards waren seine Geleitworte: kurze Ansprachen, um die Bedeutung der Songs eindringlicher klingen zu lassen. Das brachte ihm Anfang des Jahrtausends die Aufmerksamkeit einer jungen Generation und einen Plattenvertrag bei einem Punklabel ein. Am Mittwoch, dem Tag seines 79. Geburtstags, ist Merle Haggard, der mit dem Grammy Awards gekrönte US-Countrystar, einer Lungenkrebserkrankung erlegen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.