Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Dank an Volker Beck, der den Grünen Street Credibility beschert, und Sorge vor rechtem Anbiedermeier bis zur Bundestagswahl.

Porträt von Volker Beck

Ohne seine Hilfe wäre das Wahlergebnis der Grünen locker 0,6 Gramm niedriger ausgefallen: Volker Beck Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?

Friedrich Küppersbusch: Ich finde, der Tod könnte jetzt langsam mal Schicht machen für dieses Jahr.

Und was wird besser in dieser?

Tod hört aufs Wort.

Die AfD hat 24 Prozent der Stimmen in Sachsen-Anhalt geholt. Ist jetzt Auswandern angesagt? Oder doch nur Frühaufstehen?

Die Reaktion des politischen Establishments auf die neue, fremde Masse an Rechtswählern könnte gewisse Ähnlichkeiten haben – mit der Reaktion der Rechtswähler auf die neue, fremde Masse von Zuwanderern. Wenn beide diesen Affekt überwänden, könnten wir wieder vernünftiger und über vernünftigere Themen reden.

Angst ist der schlechteste Ratgeber. Es hat ja doch auch kräftige Anteile von „Fußgeruch is coming home“, also bisher über Union, SPD und Linke verteilte „Law and Order“-Wähler, die nun ihr eigenes Freigehege gefunden haben. Das sind also gutteils Leute, die einfach die Tarnkappe bürgerlichen Wahlverhaltens abgelegt haben.

Über Tote nichts Schlechtes. Westerwelle hat der europaweiten Versuchung widerstanden, aus der FDP so etwas wie die österreichische Schwesterpartei FPÖ zu machen. Respekt

Die anderen sind reparierte Nichtwähler, und im Sinne einer funktionierenden parlamentarischen Demokratie muss man das leider dufte finden. Man kann sich auf einiges Unvermögen der AfD-Parlamentarier freuen, schon jetzt lebt ihr Spitzenpersonal ungefähr das Gegenteil von dem, was im Programm steht.

SPD und Linke waren selten so herzlich eingeladen, eine durchgehend alternative linke Politik zu formulieren. Und die Union steht vor der Aufgabe, den demokratischen rechten Rand präzise zu kartieren. Zu befürchten ist leider das Gegenteil: bis zur Bundestagswahl ein rechtes Anbiedermeier.

Lothar Späth und Guido Westerwelle sind tot. Was rufen Sie ihnen nach?

Über Tote nichts Schlechtes. Westerwelle hat – etwa beim Von-Stahl-Rechtsputsch in der Berliner FDP oder den Haiderismen von Kappel und Brunner – der europaweiten Versuchung widerstanden, aus der FDP so etwas wie die österreichische Schwesterpartei FPÖ zu machen. Respekt.

Für sein Schwulsein kann er nichts; doch er hat nichts dagegen unternommen, das erforderte Mut und Haltung. Lothar Späth machte, mit schwäbischer Beharrlichkeit, einfach weiter. Als Frondeur gegen Kohl und nach seiner Reiseaffäre vermeintlich erledigt, stand er wieder auf. Vielleicht ging es ihm gar um eine Sache.

Manche nennen die Grünen jetzt eine Volkspartei. Aber das wollten die doch nie sein?

Großer Dank an Volker Becks selbstlosen Einsatz, den Grünen einen Rest Street Credibility zu sichern auf den letzten Metern. Das Wahlergebnis hätte sonst locker 0,6 Gramm niedriger ausfallen können. Die Grünen mobilisieren besonders Frauen, höher Gebildete, Angestellte, Beamte, Selbstständige.

Auch in Baden-Württemberg wechselten stattliche 70.000 Grün-Wähler zur männlichen, weniger gebildeten AfD. Und schließlich sind die 45- bis 59-Jährigen die größten Grünen-Fans. Heißt unterm Strich: Auch die Gesellschaft hat sich auf die Grünen zu verändert, und – the best is yet to come – als bürgerliche Seniorenpartei werden die in zwanzig Jahren ziemlich abräumen.

Na ja und koksen natürlich. Zu lernen: Wunder werden nicht passieren; es braucht dafür Kandidaten, die sich Jahrzehnte in der Landespolitik etablierten und nicht beim ersten Pöstchen nach Berlin entwischt sind.

Die SPD soll nach dem Superwahlsonntag, der für sie nicht nur super war, gerade keine Volkspartei mehr sein. Werden Sozialdemokraten damit nicht wieder Avantgarde?

Die SPD hat sich im Zuge mehrerer Großer Koalitionen den Programmkühlschrank leerfressen lassen. Agendapolitik, Atomausstieg, Mindestlohn, das hat aber wieder geschmeckt. Schon bei der Frage europäischer Gerechtigkeit und nun in der Migrationspolitik gab‘s für den drallen Gast Union nur noch Eiswürfel ausm Tiefkühlfach zu lutschen; zergeht im Mund zu nichts.

Also eigentlich müsste gar die CDU die SPD überreden, eine Runde Nachsitzen in der Opposition einzulegen und sich neue Kracher auszudenken. So lange testet Merkel mal Sojabrätlinge bei den Grünen.

Ein Computer hat dem amtierenden Go-Weltmeister nach Strich und Faden fertiggemacht, und auch sonst wird die Künstliche Intelligenz immer smarter als wir. Müssen wir Angst vor Computern haben?

Bill Gates, Stephen Hawking, Elon Musk sagen: Ja. Also Homo sapiens als nützlicher Stromsklave der nächsthöheren Spezies KI. Mehr kann ich dazu nicht schreiben, ich muss erstmal ‚ne Steckdose für mein Laptop suchen.

Und was machen die Borussen?

Es gibt vielleicht noch Karten für das Wolfsburg-Spiel, alles andere ausverkauft. Kann man den Volkswagen-Klub besser beleidigen?

Fragen: MLK, AW

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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