Angebliche Übergriffe im Flüchtlingsheim: „Wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst“

Geflüchtete Frauen werfen Security-Mitarbeitern in Köln schwere sexuelle Übergriffe vor. Die Polizei ermittelt – bislang ergebnislos.

Der Eingang einer Schule in Köln

Unterkunft für Flüchtlinge in einer Schulhalle: Was passierte hier? Foto: dpa

BERLIN taz | Die Vorwürfe sind enorm. In einer Flüchtlingsunterkunft in Köln soll es zu massiven sexuellen Übergriffen durch das Wachpersonal gekommen sein. So steht es in einem im Namen der Bewohnerinnen verfassten offenen Brief, der am Mittwoch bei einer Protestaktion von etwa 60 Geflüchteten vor der Kölner Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge verteilt wurde.

Es geht um die Zustände in der Notunterkunft in der Westerwaldstraße im Kölner Stadtteil Humboldt-Gremberg. In der Turnhalle, in der seit Anfang Dezember vergangenen Jahres Geflüchtete untergebracht sind, leben rund 200 Menschen – unter skandalösen Bedingungen, wie die anonymen AutorInnen des Briefes schreiben. Ganz besonders schlimm sei die Situation der Frauen.

Schwere Anschuldigungen werden gegen die eingesetzte neunköpfige Security-Crew erhoben. Die Sicherheitsleute filmten nicht nur Frauen „beim Stillen, beim Duschen und nachts beim Schlafen“ und würden ihnen Wohnungen als Gegenleistung für sexuelle Dienstleistungen versprechen. Sie zwängen die Frauen auch „mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr“. So lauerten sie ihnen „auf, wenn sie von der Toilette im Außenbereich in die Turnhalle gehen wollen, lassen sie nicht hineingehen und versuchen sie dann zu vergewaltigen, während ein Teil der Gruppe Ausschau hält“. Das Gleiche spiele sich in den Duschen ab.

Die Sicherheitsmänner nähmen „die Frauen auch mit in ihre Räume, um dort Geschlechtsverkehr mit ihnen zu haben“, ist in dem Schreiben weiter zu lesen. Außerdem brächten sie nachts „andere Männer von außerhalb“ mit in die Einrichtung, „die die Kleidung der Security-Crew anziehen und zu den Frauen gehen“. Die betroffenen Frauen seien teilweise minderjährig.

Mehr als 50 Frauen ergebnislos vernommen

„Wir haben die Vergewaltigungen, den sexuellen Missbrauch und die Belästigungen schon vor vielen Wochen immer wieder beim Management der Turnhalle angezeigt, aber diese haben nichts dagegen unternommen“, heißt es in dem offenen Brief, den Mitglieder der UnterstützerInnengruppe „Dignity for Refugees Cologne“ verfasst haben. Laut einem Sprecher der Gruppe basiert er auf den Angaben von Frauen, die in der Flüchtlingsunterkunft untergebracht sind. „Die Informationen kommen von den Frauen“, versichert er der taz.

Stimmen die beschriebenen Vorfälle, würde es sich um einen Skandal handeln, wie er in diesem Ausmaß bislang in einer Flüchtlingsunterkunft in der Bundesrepublik einzigartig wäre. Allerdings haben sich die Angaben bisher nicht verifizieren lassen.

„Es handelt sich um Vorwürfe, die sehr ernstzunehmen sind“, sagte ein Sprecher der Kölner Polizei der taz. Deshalb sei umgehend eine Ermittlungsgruppe eingesetzt worden. Noch hätte sie jedoch keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die geschilderten Vorkommnisse tatsächlich stattgefunden haben.

Mehr als 50 Frauen, die derzeit in der Notunterkunft wohnen, seien bereits vernommen worden. „Darunter war bisher keine Frau, die selbst Opfer eines sexuellen Übergriffs oder Zeugin eines solchen war“, sagte der Sprecher. Es hätten sich bislang „keine konkreten Taten herauskristallisiert“. So hätte eine Frau zwar zunächst Angaben über eine sexuelle Belästigung gemacht. „In der Vernehmung stellten sich diese aber dann als Informationen vom Hörensagen heraus“, so der Polizeisprecher.

Weitere Ermittlungen

Die Stadt Köln teilte in einer Stellungnahme am Donnerstagnachmittag mit, weder beim zuständigen Wohnungsamt noch bei der Heimleitung, die das Deutsche Rote Kreuz als Träger der Unterkunft eingesetzt hat, lägen „bis dato Beschwerden oder Vorwürfe seitens der Bewohner zu sexuellen Übergriffen durch Mitarbeiter des Sicherheitspersonals, unerlaubten Filmaufnahmen oder ähnlichen Sachverhalten vor“. Die Untersuchungen würden jedoch fortgesetzt.

Der beschuldigte Sicherheitsdienst Adler-Wache betreut insgesamt 94 Flüchtlingsunterkünfte in Köln. Der Projektmanager der Firma wies die Anschuldigungen zurück. „Ich bin entsetzt über die Vorwürfe“, sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. „Ich bin mir sicher, dass sie völlig haltlos sind.“

Der Sprecher von Dignity for Refugees Cologne hat weiterhin keine Zweifel, dass die Schilderungen in dem offenen Brief den Tatsachen entsprechen. Man müsse „überlegen, unter welchen Umständen die Frauen befragt wurden“. So sei die Polizei am Mittwoch mit einem Großaufgebot in der Turnhalle angerückt. Auch sei der Sicherheitsdienst weiter anwesend gewesen und es habe bei der Vernehmung der Frauen keine psychologische Betreuung gegeben. „Die Furcht ist sehr, sehr groß“, sagte der Sprecher. Für Samstag hat die UnterstützerInnengruppe eine Demonstration in der Kölner Innenstadt zur Unterstützung der Geflüchteten angekündigt.

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