Die Wahrheit: Magermilch für Kaffee-Nazis

Neues aus Neuseeland: Es tobt ein Glaubenskrieg im Land der langen weißen Wolke. Fettfrei oder nicht? Das ist hier die Frage.

Draußen in der Welt toben Kriege. Doch bei uns gibt es zurzeit nur eine Schlacht. Die geht um die Milch. Nein, nicht wegen der berechtigten Frage, ob die übermächtige Milchwirtschaft weiter Flüsse und Seen verpesten darf. Es geht um Explosiveres. Und noch nie war ich als Möchtegern-Kriegsreporterin dem Schützengraben so nah. Denn das Laktose-Dramolett spielt sich quasi vor meiner Tür ab, in der „Lyttelton Coffee Company“.

„LCC“ ist das berühmte Szene-Café in meinem Wohnort, das es vor fünf Jahren zu einer Erwähnung in „Was scheren mich die Schafe“ brachte. In dem ansonsten nicht weiter beachtenswerten Standardwerk für Neuseeland-Newcomer schrieb die mit mir identische Autorin leichtfertig, wie sehr sie den Laden ins Herz geschlossen habe, und lockte damit Touristen ins Hafenviertel von Christchurch. Zitat: „An der Espressomaschine wird herumgewirbelt, als sei es das Pult eines DJs. Die Baristas sind die Superstars unter den Dienstleistern und verströmen das Flair ferner Metropolen. Sie sind hip und immer gut drauf.“

Tja. So kann man sich irren. Das muss für die nächste Auflage aktualisiert werden. Denn so richtig „gut drauf“ ist in der nach dem Erdbeben wiederauferstandenen Tränke nicht jeder. „Grumpy“ trifft es eher, was einem in dem geschmackvoll renovierten Loft atmosphärisch oft entgegenschlägt, und die Musik ist für meine alten Ohren definitiv zu laut.

Aber der größte Affront für manche Besucher ist der hingekritzelte Zettel am Tresen: „Don’t do trim eh.“ – „Trim“ ist die Abkürzung für fettarme Milch, und „eh“ ist ein unübersetzbarer Kiwi-Laut. Der soll der Belehrung, nicht kalorienarm zu trinken, Lässigkeit verleihen. Darunter noch eine Zeile: „Your fooling ya self anyway.“ Man betrüge sich eh nur selbst. Eh.

So begann „Trimgate“. Der eigentliche Skandal ist zwar die katastrophale Rechtschreibung, aber nicht für meine Mit-Kiwis. Kunde König stieß auf, dass das Café aus Prinzip nur Vollfett- statt Magermilch zum Kaffee anbietet. Nachdem die Lokalpresse das Thema aufgriff, wurde der Sturm in der Latte-Tasse viral. Ein Glaubenskrieg begann, der das ganze Land mitriss: Nur Banausen und Idioten würden fettfrei ordern, denn kein Kaffee schmecke damit, behaupteten die Kenner. Auch Baristas schlugen zurück: Wer einen guten Kaffee zapfen kann, schaffe das selbst mit Sojaplörre. Das Wort „Coffee Nazi“ fiel. Als die Milch überschäumte, griff die Online-Postille Vice den Kaffeekrieg aus Aotearoa auf. Und das Fernsehen war live vor Ort.

LCC-Betreiber Stephen Mateer, der die Bohnen selber röstet und die Biomilch direkt vom Bauern bezieht, will mit seiner Haltung vor allem Plastikflaschenmüll vermeiden. Magermilch sei außerdem ein minderwertiges Lebensmittel. In Lyttelton spalten sich jetzt die Fronten. LCC-Fans bekunden ihre Solidarität. Eine stillende Mutter ließ sich im Café ablichten, stellte das Bild auf Facebook und verkündete: „Don’t do trim either“: Bei ihr gibt’s auch nur Vollfett. Babys auf den Barrikaden – es wird ernst!

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kari

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