Aufregung um Demo-Aufruf: Ein Fall für Hannelore Kraft

Ein Essener SPD-Ortsverein ruft zur Demo gegen den Flüchtlingszuzug auf. Das sorgt für Empörung. Die NRW-Minispräsidentin schaltet sich ein.

Hannelore Kraft

Hannelore Kraft rief die Parteikollegen zur Ordnung. Foto: dpa

BERLIN taz | Es ist ist selten, dass sich eine SPD-Ministerpräsidentin zu Aktionen von Ortsvereinen äußert. Doch am Samstagabend reichte es Hannelore Kraft. Die nordrhein-westfälische SPD stehe für eine Willkommenkultur für Flüchtlinge, schrieb sie auf Twitter. Und legte nach: „Protestaktionen, die das in Frage stellen könnten, lehnen wir entschieden ab.“ Jene schadeten dem Ansehen der SPD insgesamt.

Ein Imageschaden für die ganze SPD? Spätestens jetzt war aus einer Posse ein Politikum geworden. Der Rüffel aus Düsseldorf traf drei SPD-Ortsvereine im Ruhrgebiet - in Essen-Karnap, Altenessen und Vogelheim. Jene hatten auf Facebook zu einem „Solidaritätslauf“ in Sachen Flüchtlingspolitik am Dienstag Abend aufgerufen (mittlerweile ist dieser Aufruf nicht mehr verfügbar, Anm. d. Red).

Erst sprachen die Initiatoren sogar von einem „Lichtermarsch“, wer will, kann sich an Fackelmärsche von Neonazis erinnert fühlen. Auch das Motto der SPD-Kommunalpolitiker klang markig: „Genug ist genug. Integration hat Grenzen. Der Norden ist voll.“ Es könne nicht sein, dass mehr als 70 Prozent der neuen Flüchtlingsunterkünfte im Norden der Stadt errichtet werden sollten, argumentierte Stephan Duda, Ortsvereinschef in Essen-Karnap, auf Facebook.

Übernehmen SPD-Ortsvereine plötzlich den Sound von Pegida, AfD und Co.? Die Empörung ließ nicht lange auf sich warten. Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner nannte den Aufruf auf Twitter „ziemlich unfassbar“. Der grüne NRW-Landeschef Sven Lehmann schrieb: „Das glaube ich jetzt nicht.“ Und Kai Gehring, Grünen-Bundestagsabgeordneter aus Essen, warf den SPD-Kommunalpolitikern vor, „AfD und NPD nachlaufen zu wollen“.

Shitstorm auf Facebook

Auch auf Facebook entwickelte sich ein veritabler Shitstorm gegen die Essener Sozialdemokraten. Laut Medienberichten wurden Duda und andere Initiatoren in Kommentaren aufgefordert, ihr SPD-Parteibuch zurückzugeben. Nutzer fühlten sich an die Wortwahl der rechtspopulistischen AfD erinnert. Die Essener Jusos distanzierten sich von der Aktion. Beifall kam hingegen von AfD-Aktivisten.

Ganz so, wie es die Empörten unterstellten, war es dann doch nicht. Jedenfalls fühlt sich Sozialdemokrat Duda falsch interpretiert. Da sei einiges missverstanden worden, entgegnete er Kritikern auf Facebook. Er sei selbst als Ehrenamtler aktiv in der Flüchtlingshilfe. Es gehe ihm nur um die Standortwahl und die Verteilung der Flüchtlinge in der Stadt. Kurz: Die Aktion richtete sich laut Duda gar nicht gegen Flüchtlinge an sich. Im Essener Norden leben viele Menschen mit Migrationshintergrund und viele Arbeitslose. Solche Feinheiten gingen in der Aufregung unter.

Ministerpräsidentin Kraft erteilte ihren Kollegen vor Ort Nachhilfe in politischer Strategie. Wenn es Probleme mit der Verteilung der Flüchtlinge in Essen gebe, twitterte die SPD-Regierungschefin, „muss das im Rat der Stadt diskutiert und entschieden werden.“ Und: „Hier ist der Oberbürgermeister gefordert.“ Jener, das sagte Kraft nicht extra dazu, ist in der CDU. Die SPD-Ortsvereine reagierten schnell auf die interne und externe Kritik. Noch am Samstag Abend zogen Duda und seine Kollegen den umstrittenen Aufruf zurück. Auf Facebook begründete Duda: „Da die AfD und die NPD die Demo am 26. Januar als Ihre Plattform nutzen will, werden wir die Demo absagen.“

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