Wolfgang Herles und die Lügenpresse: Was heißt hier Ansage?

Auch der Ex-ZDF-Journalist Wolfgang Herles sagt, es gebe Anweisungen von oben für die Öffentlich-Rechtlichen. Das befeuert die Lügenpresse-Debatte.

Zahlreiche Mikrofone bei einem Interview

Wer bestimmt, was reinkommt? Foto: Imago / Jochen Tack

Die Lügenpresse-Fraktion hat einen neuen Messias gefunden: Wolfgang Herles. Der Ex-Leiter des ZDF-Studios Bonn und Exmoderator der ZDF-Kultursendung „aspekte“ hat ausgepackt.

In einer Gesprächsendung im Deutschlandfunk sagte er am vergangenen Freitag: „Es gibt tatsächlich […] Anweisungen von oben. Auch im ZDF sagt der Chefredakteur: Freunde, wir müssen so berichten, dass es Europa und dem Gemeinwohl dient. Und da braucht er in Klammern gar nicht mehr dazusagen: Wie es der Frau Merkel gefällt.“ Solche Anweisungen habe es auch zu seiner Zeit beim ZDF gegeben: „Es gab eine schriftliche Anweisung, dass das ZDF der Herstellung der Einheit Deutschlands zu dienen habe.“

Bäm! Das sitzt. Endlich sagt es mal einer, freuen sich die Lügenpressianer. Zwei Tage später behauptet Herles im Interview mit der Wochenzeitung Freitag das Gegenteil: Auf die Frage, ob die Öffentlich-Rechtlichen Infos unterdrückten, weil diese politisch nicht opportun seien, sagt Herles: „Nein, das glaube ich nicht.“ Und später: „Nein, das bestreite ich vehement, da ist nichts von oben befohlen.“

Medienjournalist Stefan Niggemeier hat bereits aufgedröselt, auf welche „schriftlichen Anweisungen“ sich Herles bezieht: den Staatsvertrag des ZDF. Dort fand sich zu Zeiten der deutschen Teilung der Hinweis, dass das ZDF „auch der Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit“ dienen soll. Heute heißt es dort: „Die Sendungen sollen […] der gesamtgesellschaftlichen Integration in Frieden und Freiheit und der Verständigung unter den Völkern dienen.“

Wolfgang Herles

„In besonderen Zeiten wird das ZDF zum Gesinnungssender“

Nun könnte man bösartig vermuten, Herles liege etwas daran, Aufmerksamkeit auf sein aktuelles Buch zu lenken, in dem er nach seinem Abschied vom ZDF mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk abrechnet. Denn er spielt damit all denen in die Hände, die seit Monaten „Lügenpresse“-Schilder in die Luft halten. So sind es auch vor allem deren liebste Medienorgane, die Herles derzeit genüsslich ausschlachten: RT Deutschland, PI-News und andere Verwirrten-Blogs.

Am Dienstag meldet er sich erneut in einem Blog zu Wort und geht auf die Kritik an seinen Äußerungen ein. Eine individuell freie Berichterstattung im ZDF sei wegen Staatsverträgen und Programmrichtlinien nicht immer möglich. „In besonderen Zeiten wird das ZDF zum Gesinnungssender.“ Und die Flüchtlingskrise ist für Herles eine „besondere Zeit“.

Kritik an Aufsichtsgremien

Die Medien hätten im Sinne der Willkommenseuphorie kaum kritisch berichtet, behauptet er einfach. Dabei berichten Medien schon seit Monaten immer wieder kritisch über Probleme der Integration – das allerdings wird gern übersehen, wenn es in die Argumentation passt. Und wie häufig war eigentlich die AfD in den vergangenen Monaten Gast in Talkshows?

Auch über solche Pauschalisierungen hinaus geht in Herles' Blogpost einiges durcheinander. Programmrichtlinien, Anweisungen von oben und „vorauseilendes Einschwenken auf die Tendenz“.

Durchaus berechtigt ist seine Kritik, dass Politiker in Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten sitzen und häufig direkt Einfluss nehmen – etwa auf die Personalpolitik. Herles selbst wurde Anfang der Neunziger als Leiter des ZDF-Studios abberufen – auf Drängen von Helmut Kohl, dem er zu unbequem war. Fragwürdiges Vokabular – im Blogpost schreibt Herles vom „Regiment der Leisetreter und der Duckmäuser in den Sendern“ – plus Pauschalisierung ergeben allerdings das Bild eines beleidigten Nestbeschmutzers.

Mal spricht Herles von einer „Anweisung von oben“ (Deutschlandfunk), mal ist „nichts von oben befohlen“ (Freitag). Das erinnert an die Äußerungen der WDR-Journalistin Claudia Zimmermann. Sie hatte im niederländischen Fernsehen vor wenigen Wochen gesagt, die Öffentlich-Rechlichen hätten die Vorgabe, positiv über Flüchtlinge zu berichten. Später distanzierte sie sich davon – um dann erneut vom selbst auferlegten „Maulkorb“ zu sprechen.

Wenn selbst aktive wie ehemalige Mitarbeiter der Öffentlich-Rechtlichen mit solchen gravierenden Vorwürfen um sich werfen und sie dann wieder zu relativieren, befeuert das vor allem undifferenziertes Misstrauen gegen etablierte Medien. Eine Debatte über die teilweise berechtigte Kritik ist damit kaum mehr möglich.

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