Missstände in Biobetrieb: Das Schwein trügt

Die Herrmannsdorfer Landwerkstätten galten als Vorzeigebetrieb. Nun fanden Tierschützer Antibiotika, die laut Gütesiegel verboten sind.

Ein Ferkel zwischen Schweinen guckt in die Kamera

Aushängeferkel der Herrmannsdorfer Landwerkstätten. Foto: imago/Michael Westermann

BERLIN taz | Der Tierschutzskandal im Biovorzeigebetrieb Herrmannsdorfer Landwerkstätten weitet sich aus: Der große bayerische Schweinezuchthof hat Tieren Antibiotika gegeben, die für die Humanmedizin reserviert sein sollen, wie interne Dokumente belegen. Der Anbauverband Biokreis, mit dessen Siegel die Herrmannsdorfer ihre Produkte verkaufen, hatte diese Medikamente im Stall verboten.

Betriebsleiter Karl Schweisfurth räumt die Antibiotikagabe ein. Dennoch sieht Biokreis-Geschäftsführer Josef Brunnbauer keinen Verstoß gegen die Regeln seines Verbands: „Im Ausnahmefall darf der Tierarzt auch diese Medikamente geben, wenn es nicht anders geht“, sagte er am Montag der taz.

Mit dem Verbot von Reserveantibiotika wollen Bio-Verbände verhindern, dass die Medikamente bald nicht mehr bei Menschen wirken: Auch der Einsatz im Stall trägt dazu bei, dass Keime gegen die Präparate resistent werden. Viele Verbraucher entscheiden sich bewusst für teurere Lebensmittel mit Siegeln wie die von Biokreis oder Bioland – eben weil diese strengere Regeln vorgeben als das gesetzliche EU-Biogütezeichen.

Die Herrmannsdorfer Landwerkstätten waren bisher in der Biobranche hoch angesehen. Die Bilder von im Stroh tollenden schwarz-rosa Tieren der alten Schwäbisch-Hällischen Rasse machten in zahlreichen TV-Sendungen beste Werbung für Bio. Immer wieder wurde die Geschichte vom Vater des heutigen Geschäftsführers erzählt: Karl Ludwig Schweisfurth gehörte einst Herta, damals größter industrieller Fleischproduzent Europas. Schweisfurth beschloss eines Tages die ökologische Umkehr: Er kaufte ein Gut in Glonn bei München und stellte auf Bio um.

Videos zeigen Missstände

Um so größer war jetzt der Schock, als die Tierrechtsorganisation Soko Tierschutz vor Kurzem heimlich aufgenommene Videos aus dem Betrieb veröffentlichte: Sie zeigten verletzte Sauen, manche in Kastenständen. Das sind mit Stangen konstruierte Boxen, in denen sich die Sauen kaum bewegen können, damit sie keine Ferkel erdrücken. Die Tierrechtler fanden in Herrmannsdorf Listen, nach denen Schweine mit Antibiotika und Hormonen behandelt wurden. Und: Überdurchschnittlich viele Ferkel starben (taz berichtete).

Nach Ansicht der „Soko“ steht all das in krassem Gegensatz zum Heile-Welt-Bild des Betriebs. Allerdings stellten diese Missstände keinen Verstoß gegen Tierschutz- oder Bioregeln dar.

Die Dokumente aber, die die Tierrechtler nun der taz geschickt haben, belegen: Die Herrmannsdorfer haben auch den Wortlaut der Regeln ihres Anbauverbands Biokreis verletzt. Dessen Richtlinien nennen unter „Anwendungsverbote“ seit Juni 2014 ausdrücklich die Arzneimittelgruppe Fluorchinolone. Dazu gehören auch die Mittel Baytril und Enro-Sleecol. Nach Inkrafttreten der Verbote erhielten einzelne Herrmannsdorfer-Schweine den Unterlagen zufolge mehrmals diese Medikamente.

Biokreis ist ein Verband von 1.000 Öko-Bauern und 120 Firmen, die Biolebensmittel verarbeiten. Sie müssen die Vorschriften der EU-Öko-Verordnung erfüllen, also etwa Auslauf im Freien, den konventionelle Tiere meist nicht haben. Verbände wie Bio­kreis verlangen noch mehr: zum Beispiel den Verzicht auf bestimmte Antibiotika.

An keiner Stelle in den Richtlinien ist die Rede von möglichen Ausnahmen. Trotzdem erklärte Biokreis-Geschäftsführer Brunnbauer, dass der Verband diese Mittel ausnahmsweise zulasse: „Das geht, wenn der Tierarzt das begründet, weil das Tier nicht anders zu behandeln ist. Sonst würden wir das Tier leiden lassen und das will doch keiner.“

Doch es gehe auch anders, sagt der Bioland-Chefberater für Schweineerzeuger, Martin Kötter-Jürß. Dieser Verband lasse nur selten Ausnahmen zu. Und wenn, dann „darf das Tier nicht mehr über die Bioland-Schiene vermarktet werden“.

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