Selbstmordattentat in der Türkei: Im Herzen Istanbuls

Bei einem Selbstmordattentat kommen zehn Ausländer ums Leben, darunter acht Deutsche. Präsident Erdoğan gibt dem „Islamischen Staat“ die Schuld.

Polizisten hinter einem Absperrband

Ruhe nach dem Anschlag: Polizisten sperren das Touristenviertel. Foto: ap

ISTANBUL taz | Ein Selbstmordattentäter im beliebten Istanbuler Altstadtviertel auf der europäischen Seite der Stadt hat am Dienstag mindestens zehn Tote und 15 Verletzte gefordert. Laut türkischen Medienberichten sprengte sich der Täter unter einer Gruppe von deutschen Touristen in die Luft. Acht der Toten sind nach Angaben von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier Deutsche.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan machte einen Syrer für die Tat verantwortlich. Alle Toten seien Ausländer, sagte Erdoğan. Der Anschlag zeige, dass die Nation im Kampf gegen den Terror zusammenstehe müsse. Die Türkei werden den Kampf gegen den Terrorismus bis zum Ende führen, sagte der Präsident. Am Nachmittag machte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für den Anschlag von Istanbul verantwortlich.

Es ist ein warmer, sonniger Wintermorgen, als sich der Täter um 10.15 Uhr Ortszeit zwischen der Blauen Moschee und dem ehemaligen römischen Hippodrom in die Luft sprengt. Die Explosion ist so gewaltig, dass die Schockwellen noch mehrere Kilometer entfernt zu spüren sind. „Die ganze Erde hat gebebt“, sagt Ramazan Polat in einem kleinen Hotel in einer der verwinkelten Gassen hinter der berühmten Moschee. „Fünf Menschen lagen tot auf dem Boden. Es war schrecklich.“

Um die Mittagszeit kreisen noch immer Helikopter über dem Tatort. Die Polizei hat das Gelände rund um die Blaue Moschee mit Absperrgittern und Bändern abgeriegelt. Spezialeinheiten der Polizei mit Maschinenpistolen bewachen sämtliche Zugänge.

Mit der Blauen Moschee, der Hagia Sophia, der Zisterne, dem Topkapi-Palast, Kirchen und etlichen Museen ist das Altstadtviertel das touristische Herz von Istanbul. Im letzten Jahr zog die Stadt mehr als zwölf Millionen Touristen an, allein im letzten Monat kamen mehr als 800.000 Besucher. „Es ist so traurig, so schlimm“, sagt Polat. Zwei Stunden nach dem Anschlag sitzt er verlassen in der Lobby des hübschen Hotels. „Erst der Anschlag in Ankara, dann in Paris und jetzt hier. Keiner wird sich mehr hierhertrauen.“

Mehrere Anschläge in den vergangenen Jahren

Das fürchtet ein paar Straßen weiter auch der Kebab-Verkäufer, der seinen Namen nicht nennen will. „Die Politik ist schuld. Die Politiker sitzen hinter ihren Schreibtischen. Aber die einfachen Leute wie uns trifft es“, sagt der rundliche Mann, der trotz des warmen Wetters eine fellbesetzte Mütze trägt. Wie Polat befürchtet auch er, dass nun keine Touristen mehr kommen. „Ich habe drei Söhne, die studieren. Ohne Touristen kein Geschäft, und ohne Geschäft kriege ich keinen Lohn.“

Das Auswärtige Amt in Berlin rief alle Reisenden auf, Menschenansammlungen in Istanbul vorläufig zu meiden. Weitere europäische Länder folgten der Warnung. Bisher hat sich niemand zu der Tat bekannt. Die private Nachrichtenagentur Dogan berichtete am späten Nachmittag jedoch, der Täter sei als saudischer Staatsbürger identifiziert worden. Das würde auf den IS hinweisen.

Die Extremisten haben im vergangenen Jahr in der Türkei mehrere Anschläge verübt, die sich aber vor allem gegen Kurden und linke Türken richteten. Die Täter waren meist Kurden aus der Türkei, die sich dem IS angeschlossen hatten. Am 10. Oktober rissen zwei Selbstmordattentäter bei einer Friedensdemonstration in Ankara 102 Personen in den Tod. In der vergangenen Wochen gaben die Behörden bekannt, der zweite Täter sei als Syrer identifiziert worden.

Die türkische Regierung führt nach ihrer Darstellung einen Mehrfrontenkrieg gegen Terroristen: außer gegen den IS auch gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

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