Kommentar Anzeige gegen Höcke: Blödheit ist nicht strafbar

Thüringens AfD-Chef Björn Höcke ist angezeigt wegen Volksverhetzung. Doch die Verbreitung dummdreister Theorien kann nicht belangt werden.

Björn Höcke im Vordergrund, ein Sitzungssaal im Hintergrund

Vermutlich wird es nicht einmal ein Ermittlungsverfahren geben: Björn Höcke Foto: dpa

Viele Journalisten schienen geradezu euphorisiert: „Björn Höcke unter Verdacht“, „Justiz befasst sich mit Höcke“ oder „Verdacht der Volksverhetzung“, so titelten jetzt zahlreiche Medien. Bisher ist aber nicht mehr passiert, als dass Björn Höcke angezeigt wurde, wohl wegen seiner Rede zum Thema „Ansturm auf Europa“ Ende November in Schnellroda. Die Justiz ist noch damit beschäftigt, die zuständige Staatsanwaltschaft zu finden und hat noch nicht einmal mit der Prüfung begonnen, ob der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt. Vermutlich wird es nicht einmal ein Ermittlungsverfahren geben.

Anstoß erregten in Höckes Rede vor allem seine Ausführungen zur „Populationsökologie“. Danach habe „die Evolution“ Afrika und Europa zwei unterschiedliche Reproduktionsstrategien beschert. In Afrika herrsche eine Strategie vor, die auf eine hohe Zahl von Nachkommen setze, von denen aber nur wenige überleben. In Europa dagegen setze man auf wenige Nachkommen mit hohen Überlebenschancen. Höcke will verhindern, dass Europa den afrikanischen „Reproduktionsüberschuss“ von 30 Millionen Menschen pro Jahr aufnimmt und fordert deshalb eine neue Asyl- und Einwanderungspolitik.

Die Äußerungen Höckes sind offensichtlich unsinnig. Die unterschiedlichen Geburtenraten in Afrika und Europa sind kein Produkt der Evolution. 1875 hat in Deutschland jede Frau im Schnitt fünf Kinder geboren. Glaubt Höcke etwa, dass die Evolution in Europa erst später eingesetzt hat? Es ist außerhalb von Höckes Kreisen allgemein anerkannt, dass die Geburtenrate sinkt, wenn es mit sozialer Sicherheit, medizinischer Versorgung und der Emanzipation der Frauen vorwärts geht. Das wird auch in Afrika so sein. Höckes pseudowissenschaftliche Rassenbiologie ist schon im Ansatz nicht haltbar.

Doch die Verbreitung dummdreister Theorien allein ist nicht strafbar. Eine Volksverhetzung läge nur vor, wenn Höcke zum Hass gegen Afrikaner aufgerufen hätte oder die Menschenwürde von Afrikanern durch Beschimpfungen und böswilliges Verächtlichmachen angegriffen hätte. Dazu genügt es nicht, dass Höcke absurde Theorien über unterschiedlichen Fortpflanzungsstrategien verbreitet. Darin allein liegt weder eine Aufstachelung zum Hass noch eine Beschimpfung. Die konkrete Rassenlehre der Nazis hat er sich damit auch nicht zu eigen gemacht.

Rechtlich relevant könnte eher sein, dass Höcke die AfD als „letzte friedliche Chance“ für Deutschland bezeichnet. Man kann darin durchaus eine implizite Gewaltdrohung sehen. Durch Höckes Vortrag zieht sich auch eine geradezu apokalyptische Angst vor dem Zusammenleben mit Menschen anderer Herkunft, Hautfarbe und Religion. Er ist damit nicht mehr weit entfernt vom NPD-Slogan „Integration ist Völkermord“. Sollte Höcke mit seinem Wunsch nach einer ethnisch reinen Volksgemeinschaft in der AfD die Mehrheit verkörpern, wird es sicher bald auch Parteiverbotsanträge gegen die AfD geben - mit guten Erfolgschancen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.